Klaus Schulze – La Vie Electronique Vol. 3
 

Klaus Schulze – La Vie Electronique Vol. 3
revisitedrec / spv (2009)
(21 Stücke, 235:01 Minuten Spielzeit)

Anfang August 2009 ging es in die nächste Runde der Wiederveröffentlichungen von Klaus Schulze, dem Pionier der elektronischen Musik. Unter dem Titel „La Vie Electronique 3“ folgte der dritte Teil der chronologischen Reihenfolge von raren Tracks, die seinerzeit (in den Jahren 1993 bis 2000) nur in den recht teuren, streng limitierten 10- bis 50-CD-Boxen erhältlich waren. Die dritte Ausgabe beschäftigt sich mit Liveaufnahmen des Jahres 1975.

 


Zum Zeitpunkt der Aufnahmen hatte Klaus bereits einige Alben veröffentlicht und mit seinen 75’er Platten „Picture Music“ und „Timewind“ auch recht erfolgreiche Veröffentlichungen herausgebracht. Wer Klaus’ Musik kennt, der weiß, dass er sich bei seinen Livekonzerten nicht darauf beschränken lässt, die Studioeinspielungen vor Publikum zu interpretieren. Vielmehr kreiert der kreative Musiker immer wieder neue Stücke bei seinen Auftritten, so auch zu hören auf der hier vorliegenden CD. Insgesamt 13 Stücke mit Laufzeiten zwischen 4:11 und 36:19 Minuten enthält das Album. Die längeren Stücke sind dabei in mehrere Teile unterteilt, so dass die drei CDs 21 anwählbare Skip IDs anzeigt.

Disk 1, die aus den Stücken „Alles ist gut“, „Well Roared, Lion!“ und „Der Blaue Glaube“ besteht, wurde erstmals als CD Nummer 3 der „Historic Edition“ im Jahr 1995 veröffentlicht. Mit zirpenden und pulsierenden Synthies startet die erste CD beim Stück „Alles ist gut“. Vor allem der erste Part ist sehr spacig, ab dem Mittelteil durch seine Orgelsounds dann recht sakral. Klaus zeigt, dass er mit wenigen Sounds einen hohen Spannungsbogen aufbauen kann. Nur langsam schreitet der pulsierende Rhythmus voran. Im zweiten Part des Stückes ziehen die Rhythmusschleifen etwas druckvoller durch den Äther, darüber legt Klaus faszinierende Flächensounds. Auch dieser Part ist sehr spacig. Ruhig und beschaulich, fast meditativ lässt er dann mit dem dritten Part das Stück ausklingen. Der abschließende Applaus klingt fast wie eine Meeresbrandung.

In „Well Roared, Lion!“ lässt Klaus seine Synthies zunächst perlen und blubbern, um im weiteren Verlauf mit den Flächen und Akkorden ein schwebendes Gefühl zu erzeugen. Auch hier hat man das Gefühl in den Orbit abzuheben. Man erkennt deutlich, dass Klaus zur damaligen Zeit mit seiner Musik die Spacemusik begründet hat. Das dritte Stück „Der Blaue Glaube“ hat neben den spacigen Synthies auch experimentelle Klänge zu bieten. Im letzten Drittel des ersten Parts scheint man über einen unterirdischen See durch eine Tropfsteinhöhle zu gleiten. Vor allem der über 23minütige zweite Teil bietet Schulze-Musik mit herrlichen Flächen, Sequenzerrhythmen und auch wieder sakralen Orgeln. Das Schlagzeug, was man in diesem Stück hört, wurde für das Konzert von Klaus vorher auf seinem Drumset eingespielt.

Die zweite Disk besteht aus den Stücken „Forneau Cosmique“ und „Der Lauf der Dinge“ von der „Historic Edition“ sowie „Die lebendige Spur“ und „La Présence d'Ésprit“, die erstmals 1993 auf der „Silver Edition“ herauskamen. Stilistisch in ähnlichem Fahrwasser geht es dann wie auf Disk Nummer 1 auch auf dieser Disk zu. Mit klopfendem Synthierhythmus startet „Forneau Cosmique“, zu dem Klaus einfühlsame Flächen und futuristisch/spacige Sounds hinzufügt. Auch hier wechseln die Stimmungen und Klaus spielt in der zweiten Hälfte des ersten Parts seine unwiderstehlichen Soundmalereien, die seine Musik so einzigartig in den 70’ern machte. Im zweiten Part wird es dann wieder etwas experimenteller, während „Die lebendige Spur“ Klaus von seiner melodiösen Seite zeigt. Bei „La Présence d'Ésprit“ kann man die Gedanken fliegen lassen und bei „Der Lauf der Dinge“ zeigt uns Klaus über weite Strecken die Schönheit der Monotonie, denn der Track entwickelt sich langsam und doch bewegt er sich gleichförmig voran.

Die dritte und letzte CD enthält die Tracks „Zeichen meines Lebens“ und „Gewitter“ von der „Historic Edition“ sowie „Semper idem“, „Wann soll man springen?“, „Experimentelle Bagatelle“ und „Kurzes Stück im alten Stil“ aus der 1997’er „Jubilee Edition“. Wie schon auf den anderen beiden Silberlingen geht Klaus auch bei diesen Tracks sehr spacig ans Werk. In den meisten Stücken kann man sich einfach nur verlieren und aus dem Alltag abtauchen. Mal sehr melodisch, dann wieder in unwiderstehlichen Flächen abhebend oder recht experimentell, wie in „Experimentelle Bagatelle“, so kann man sich den unterschiedlichen Stimmungen hingeben. Und im Stück „Gewitter“ scheint Klaus tatsächlich ein – wenn auch filigranes – spannungsgeladenes Unwetter in den elektronischen Leiterbahnen zu entfachen. Er zeigt auch hier ein weites Spektrum an Elektroniksounds, das zu keiner Phase langweilig wird.

Revisitedrec / SPV bietet mit dieser Serie den Fans, die bisher die teuren, streng limitierten Boxen nicht gekauft haben, die Chance, sich günstig die Mitschnitte der einzelnen Phasen des Pioniers der Elektronikmusik anzuschaffen. Dabei ist das Label, wie bei allen Veröffentlichungen, wieder mit viel Liebe ans Werk gegangen. Die Drei CDs sind in einem achtseitigen Digipack verpackt und wurden zudem mit einem 20seitigen Booklet, das neben ausführlichen Linernites, die in deutscher und englischer Sprache vorliegen, auch eine ganze Reihe bisher unveröffentlichter Aufnahmen von Klaus versehen. Wer die Boxen bereits hat, der muss – aufgrund der Tatsache, dass keine weiteren Bonusstücke enthalten sind – selbst entscheiden, ob die Anschaffung wegen der Fotos und Texte lohnt. Allen anderen kann ich diese CD nur wärmstens ans Herz legen, denn für viele ist gerade die 70’er-Phase von Schulze die beste in seiner Karriere gewesen. Stilistisch liegt er mit den meisten Stücken in der Nähe seines Albums „Cyborg“ oder auch dem Stück „Mental Door“ von „Picture Music“.

Stephan Schelle, August 2009

 
   

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