Klaus Schulze – La Vie Electronique 16
 

Klaus Schulze – La Vie Electronique 16
Mig music / SPV (2015)

(
21 Stücke, 385:04 Minuten Spielzeit)

Am 29.05.2015 ist es geschafft. Mit der Nummer 16 der Reihe „La Vie Electronique“ endet die Serie von limitierten und lange vergriffenen Sonderausgaben von Klaus Schulze-Material (Silver-, Historic, Jubilee- und Ultimate-Edition), die neu herausgebracht wurden. Die ersten fünf Ausgaben sind bei spv, die restlichen bei mig-music zwischen 2009 und 2015 erschienen. 

 

 


Viele Fans des Musikers, die die obigen Editionen nicht mehr bekommen haben oder sie sich nicht gekauft haben, weil sie nur bestimmte Zeiträume von Schulze-Werk mögen, wurden mit dieser neuen Edition, die jetzt ihren Abschluss findet, bestens bedient. Neben den Stücken der Editionen fanden auch noch einige Bonustracks auf den neuen Veröffentlichungen, die chronologisch (bis Vol. 15) angelegt sind, Platz. So sind auch auf der fünf CDs umfassenden letzten Ausgabe sechs Stücke enthalten, die auf den Originaleditionen keinen Platz fanden, aus welchem Grund auch immer.

Der Inhalt der CD-Box besteht aus dem Rest der Schulze-Titel, die Klaus D. Müller (kdm) nicht auf den vorangegangenen 15 Teilen der Serie unterbringen konnte. Allerdings ist hier das Wort „Rest“ in keinster Weise negativ besetzt, denn auch auf der letzten Box der Serie finden sich wieder qualitativ hochwertige Stücke des „Meisters“. Die Stücke decken einen weiten Zeitraum, nämlich von 1970 bis 2015 ab.

Disc Nummer 1 umfasst fünf Stücke. Es beginnt mit dem 13:20minütigen „Chinese Eyes“ aus dem Jahr 2001, das als BonusCD bei den ersten 333 Exemplaren der „Contemporary Works 2“-Box beigelegt war. Nun haben endlich auch alle anderen Fans den Zugang zu diesem Stück, das fernöstliche Klangelemente bzw. -farben enthält und sich nach dem sanften Beginn zu einem Sequenzer orientierten, faszinierenden Stück entwickelt. Auch dieses Stück ist hier eines der Bonustitel der Box.

Es folgt das fast elfminütige „Landpartie“, ein Studiotrack aus dem Jahr 1972 (von der „Silver Edition“). Hierbei handelt es sich um einen teils sakralen, teils experimentellen Track mit flirrenden Synthies. Das 21minütige „Berlin Zehlendorf“ wurde 1976 bei einem Konzert mitgeschnitten. Der Klang dieses, wie eine vertonte Dramaturgie wirkender Klangkörper, weicht ein wenig von den Studioproduktionen ab, ist aber immer noch recht gut. „Get The Car Harry“ (ist das ein augenzwinkernder Titel in Richtung TV-Krimi „Derrick“?) ist 1978 im Studio zusammen mit Harald Grosskopf am Schlagzeug entstanden. Dieser Track fasziniert durch das perfekte Zusammenspiel von Schulze und Grosskopf. Als letztes befindet sich „Acta Non Verba“, ebenfalls ein Bonustrack dieser Box, aus dem Jahr 1985 auf dem Album. Dieses rhythmische Stück ist zusammen mit Rainer Bloss entstanden und wurde bei einem Liveauftritt in Aachen mitgeschnitten. Der Klang wirkt an einigen Stellen wie ein Bootleg (man hört manchmal Stimmen von Zuschauern und es kommt zu Tonschwankungen) ist aber immer noch akzeptabel. Die Musik ist aber für Schulze recht kommerziell, klingt musikalisch aber richtig gut.

CD 2 besteht aus drei Longtracks, die 1977 bei einem Konzert in London mitgeschnitten wurden. Es beginnt mit dem aus drei Teilen bestehenden Track „Der Ursprung der Welt“. Die Parts können einzelnen angewählt werden, was auch bei den späteren Longtracks der Fall ist. Typische, für Schulze zu dieser Zeit übliche Sounds und Strukturen enthält dieser Konzertmitschnitt. Langsam entwickeln sich die Stücke, die von Flächen durchzogen und die mit Effekten und zirpenden Synthies verziert sind. Dieses erste Stück bietet noch wenig Rhythmus. Darauf folgt das mit kraftvollen Sequenzerrhythmen garnierte, 16minütige „Midnight At Madame Tussaud’s“, das klanglich etwas abfällt. Letzter Track ist das vierteilige und insgesamt 34minütige „Totally Wired“. Während der erste Part noch recht düster und experimentell wirkt, so kommen im zweiten Part („Starkness“) rhythmische Elemente auf, die dem Track mehr Dynamik verleihen. Im nächsten Part zieht Schulze den Rhythmus an, was ekstatisch wirkt.

Ein Konzert, das Klaus Schulze zusammen mit Manuel Göttsching im November 1981 gegeben hat, stellt den Hauptteil von CD 3 dar. Es beginnt zunächst mit Klaus’ Worten vor dem Konzert. Dann folgt das 20:40minütige „From And To“ dessen erster, fünfminütiger Part nur aus dem Klatschen der Zuschauer besteht. Part 2 zeigt einen rhythmischen Schulze in Bestform. Es klingt allerdings als wäre das Konzert mit einem Außenmikro aufgenommen worden. Klanglich ist das aber immer noch i.O. Manuel setzt seine Gitarre sehr akzentuiert ein, so dass sie in dem elektronischen Klangkosmos nicht wirklich auffällt. Er geht hier anders zu Werke als man es von seinen Ash Ra und Solowerken her kennt. Das achtminütige „Face Of Mae West“ stammt aus dem Jahr 1990 und zeigt die Vorliebe der Sampletechnik, die Schulze damals nutzte. Mit „Trakl Sans Vox“ ist ein weiterer Bonustitel in der Box enthalten. Dieser mehr als achtminütige Track wirkt sehr experimentell und orchestral, so wie Theatermusik.

Auf CD Nummer 4 befinden sich zwei mehrteilige Longtracks und ein 3:39minütiger Bonustrack. Es geht los mit dem fast 42minütigen „Der Lauf der Welt“!, das ebenfalls von einem Konzert mit Manuel Göttsching aus dem Jahr 1981 stammt. Part 1 klingt nach experimenteller Theatermusik. Erst zum Ende hin kommen Melodielinien auf, die im zweiten Teil dann richtig ausgebreitet und durch Sequenzerrhythmen unterlegt werden. Hier ist dann auch Manuel’s Gitarre herauszuhören, obwohl sie dezent im Hintergrund ihre Arbeit verrichtet. Dem folgt dann mit „Ein ruhiger Nachmittag“ eine Studioproduktion aus dem Jahr 1984/1985. Das 31:22minütige Stück ist eine Aneinanderreihung ruhiger Klangkaskaden und wirkt dadurch sehr ambient. Der Bonustrack „Totemfeuer Live“ wurde 1973 bei einem Konzert in Paris mitgeschnitten. Es stellt einen kurzen, recht experimentellen Ausschnitt aus dem Konzert dar.

Mit der zweigeteilten, 20minütigen Studioproduktion „Whales“ aus dem Jahr 1991/1992 startet dann CD Nummer 5. Auch hier arbeitet Schulze mit seinen - für die 90’er Jahre so beliebten - Samplesound. Dem mischt er dann noch Walgesänge bei. Aus dem Jahr 1989 stammt der wunderbare Track „Unikat“, der ebenfalls mit Samplesounds erstellt wurde, aber eine eigenartige Faszination ausstrahlt. Der erste Bonustrack dieser fünften CD nennt sich „Das lyrische Ich“. Dieser zweigeteilte 16minütige Track stammt aus dem Jahr 2002 und enthält in Part 1 herrliche sanfte Flächen, die durch den Raum ziehen. Im zweiten Part kommen dann zunächst Klangtupfer hinzu, die dann mit einem sehr schönen Rhythmus unterlegt sind. Hier ist Schulze im neuen Jahrtausend angekommen. Ein wunderbares Stück im Stile seiner „Contemporary Works 1“-Box. Das siebenminütige „Melange“ ist der zweite Bonustrack dieser CD und ein Remix eines Stückes aus dem Jahr 1978, das Schulze im Jahr 2000 im Studio gemacht hat. Es war ursprünglich auf dem Sampler „OHM“ enthalten. Ein zugegebenermaßen ungewöhnlicher Track. Den Abschluss bildet dann endgültig das fast 25minütige „Just Skins“ aus dem Jahr 1970. Diesen Track hat Schulze ausschließlich mit dem Schlagzeug eingespielt.

Die wunderbare Serie der „La Vie Electronique“ findet nun mit der 16. Ausgabe ein Ende. Was zunächst nur auf einen Teil der Stücke der limitierten Editionen, verteilt auf zehn CDs, angedacht war, wurde zum Glück während der Veröffentlichungen auf die vollständige Trackzahl ausgeweitet. So kann sich jeder Schulze-Fan die für sich besten Stücke (Schulze hat ja im Laufe der Zeit unterschiedliche musikalische Phasen durchlebt) heraussuchen. Eine lohnenswerte Serie. Dieses letzte Paket sollte ebenfalls in keiner Schulze-Sammlung fehlen, auch wenn hier einige skurrile Stücke enthalten sind.

Stephan Schelle, Mai 2015

 
   

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