Klaus Schulze – La Vie Electronique Vol. 11
 

Klaus Schulze – La Vie Electronique Vol. 11
mig / made in germany music (2012)
(5 Stücke, 224:57 Minuten Spielzeit)

Ende April 2012 geht die Reihe von Klaus Schulze-Veröffentlichungen, die zuvor auf seinen Box-Sets „Silver Edition“, „Historic Edition“ und „Ultimate Edition“ in begrenzter Auflage herausgekommen sind, weiter. Mittlerweile sind wir bei Volume 11 der „La Vie Electronique“-Reihe, die bei mig erscheint, angekommen. In dieser Auflage befinden wir uns in der Aufnahmephase von 1992 und 1993. In dieser Zeit ist eine Menge an Musik entstanden, die nicht den Weg auf offizielle Alben gefunden hat.

 


Klaus Schulze komponierte Anfang der 90’er Jahre einiges Material, das im Rahmen von Auftragskompositionen für Filme gedacht war. Aber auch reine improvisierte Musiken, die Schulze in zahlreichen Nächten in seinem Studio eingespielt hatte, landete so auf DAT-Kassetten. Schulze schnitt und schneidet auch heute noch das meiste mit, was er in seinen kreativen Phasen seinen elektronischen Gerätschaften entlockt. Zum Glück möchte man meinen, denn so haben wirklich wunderbare Kompositionen auf den Boxen das Licht der Laser erreicht.

Klaus Schulze hat sich nie der Entwicklung in der synthetischen Klangerzeugung verschlossen und so hat er vieles ausprobiert. Anfang der 90’er experimentiert er mit Sampletechniken, bei denen er Stimmen in seine Musik einbaute, die aus dem Synthie kamen. Darüber hinaus kombinierte er dies mit klassischen Klängen wie zum Beispiel mit Streichern und Blasinstrumenten, denen er ein ganz neues Klangbild verpasste. Zu hören ist dies beispielsweise auf seinen Mitschnitt „Royal Festival Hall“.

Die erste CD diese Packages enthalt eine 75minütige Filmmusik. Die aus vier Teilen bestehende Suite war für einen deutschen Fernseh-Dokumentarfilm mit dem Titel „Spurensicherung. Baudenkmäler“ entstanden, der 1993 gedreht wurde. Zunächst beginnt die Musik sehr sanft und schwebend. Die Harmonien und Flächen ziehen durch den Raum und schmeicheln sich im Ohr ein. Dann kommen Streicher hinzu und auch die Trompetenhaften Klänge halten Einzug in den Track. Sounds, die nach Akustikgitarre klingen und Sequenzerrhythmen gehören genau so in den Track, wie arienhafte Gesänge einer weiblichen Stimme. Klaus Schulze baut sehr spannende Klangcollagen auf, die immer harmonisch und melodisch wirken. Diese Art von Musik kann ihm wirklich keiner nachmachen. Etwas verstörend sind an einigen Stellen Breaks, die er durch eine Kombination aus Beckenschlägen, Stimmsamples und weiteren Instrumenten immer mal wieder einbaut. Das klingt verstörend und ist manchmal nicht leicht zu konsumieren. Diese Stilelemente sind aber typisch von den Schulze-Stil der frühen 90’er Jahre. Und dazwischen finden sich immer wieder herrliche melodische Abschnitte wie etwa beim zehnminütigen „Der Optimismus“, in die man sich einfach fallen lassen kann.

Die Musik auf CD Nummer zwei stammt aus der Zeit 1992/1993. Die 71minütige Komposition trägt den Titel „Narren des Schicksals“ und stellt nach eigenen Aussagen von Schulze seine erste Sinfonie dar. Wie auf der ersten CD kombiniert Klaus in dieser Komposition klassische Elemente und Soundmuster/-klänge mit damals modernen Synthieklängen. Das hat eine ähnliche Ausstrahlung wie die Musik der ersten CD. Harmonien werden von plötzlichen Breaks unterbrochen, was die Musik sehr surreal und manchmal schwer verdaulich macht. Sie zeigt aber auch die ganze musikalisch Bandbreite, die Schulze zu bieten hat. Beim Hören kann man sich gut eine Oper oder ähnliches vorstellen.

Auf CD Nummer 3 geht es dann wieder um Kompositionen des Jahres 1993. Hierauf befinden sich drei Stücke, von denen die ersten beiden in mehrere Parts unterteilt sind. Der erste 37minütige Track „Die Schönheit Spur“ ist wieder eine Auftragskomposition die für einen Film über den Potsdamer Platz in Berlin entstanden ist. Es ist die Langfassung der Komposition, die nicht für den Film genutzt wurde. In diesem Stück kommen moderne Klänge zum Vorschein und herrliche, hypnotische Rhythmusmuster, die sich in späteren Veröffentlichungen wie „Das Wagner Desaster - Live“ noch weiterentwickeln sollen. Mit diesem neuen Sound ist Schulze wieder wesentlich harmonischer unterwegs, als mit den vorangegangenen Werken.

Die 1994 erschienene Oper von Klaus Schulze, die den Titel „Totentag“ trägt, gehört sicherlich zu den schwierigsten Werken seines Oeuvres. Das aus fünf Parts bestehende, 21minütige „Ein Schönes Autodafé“ ist bei den Aufnahmen im Jahr 1993 zu dieser Oper entstanden, fand aber nicht den Weg auf die CD. Die Musik ist recht schrill und teilweise sogar hektisch. Es kommen wieder klassische Soundmuster auf, die mit elektronischen Klängen vermengt werden und so eine verstörende Stimmung erzeugen. Das ist teilweise schon harter Stoff. Auf der anderen Seite ist es auch faszinierend zu erleben, wie Schulze verstörende Parts mit herrlichen Melodiebögen vermengt. Ähnliches - aber in anderer Form - ist Mike Oldfield seinerzeit mit „Amarok“ gelungen. Das 19minütige „Return In Happy Plight“ ist die Remixversion von „Die Schönheit Spur“, die dann als Untermalung des Films genutzt wurde.

Mit Volume 11 der „La Vie Electronique“-Reihe wird die Klaus Schulze-Phase des Samplings und der Mixtur aus klassischen und modernen Klängen dokumentiert. Die Musik ist nicht immer einfach zu konsumieren, zeigt aber eine musikalische Bandbreite, die deutlich macht, dass Klaus Schulze einer, wenn nicht der zeitgenössische Komponist schlechthin ist. Je nach Vorliebe sollte der Elektronikfreund entscheiden, ob er sich auf diesen Parforceritt einlässt. Wenn man sich aber erst einmal mit diesem Stil auseinander gesetzt hat, dann offenbart die Musik eine unglaubliche Vielfalt und Intensität.

Stephan Schelle, April 2012

 
   

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