Klaus Schulze – La Vie Electronique Vol. 10
 

Klaus Schulze – La Vie Electronique Vol. 10
mig / made in germany music (2011)
(11 Stücke, 229:54 Minuten Spielzeit)

Drei Monate nach der Nummer 9 der „La Vie Electronique“-Reihe von Klaus Schulze geht es nun in den zweistelligen Bereich. Ende Juni 2011 erscheint Teil 10 der Serie. Auf den Silberlingen sind wir nun Mitte der 80’er Jahre angekommen. Allerdings macht das Label bei dieser Veröffentlichung innerhalb einer Ausgabe auch erstmals einen zeitlichen Sprung. Während die ersten beiden CDs aus 1985 stammen, geht man auf der dritten CD ins Jahr 1991 (der letzte Titel wurde sogar erst 1992 aufgenommen).

 


Von 1982 bis 1986 war Klaus Schulze eine Kollaboration mit dem Keyboarder und studierten Musiker Rainer Bloss eingegangen, mit dem mehrere Alben, darunter die Werke „Audentity“, „Dziekuje Poland“, „Drive Inn“ und „Aphrica“ eingespielt wurden. Diese Alben tragen die deutliche Handschrift von Klaus und Rainer. Und genau diese Kollaboration findet sich auch auf der ersten CD wieder.

CD 1 enthält drei Stücke. Zunächst findet sich das in neun Parts unterteilte „Unheilbar deutsch“, das in fast 54 Minuten einen Konzertmitschnitt dokumentiert, der 1985 von einem deutschen Radiosender aufgezeichnet wurde. Hier agieren Rainer und Klaus sehr rhythmisch und melodisch zugleich. Ein mit Vocoder verzerrter Text wird zudem in die Musik der beiden eingewoben. Die beiden lassen es auch blubbern und zirpen oder die Flächen durch den Raum schweben. Ein sehr schönes Konzert, das sich bisher nur auf der „Jubilee Edition“ bzw. der „Ultimate Edition“ befand.

Klaus Schulze ist für seine langen ausufernden Stücke bekannt. Nur die Insider wissen, dass Klaus auch eine Single herausgebracht hat. Nicht gemeint sind hier seine Version von Vangelis „Conquest Of Paradise“, das als „A Tribute To Henry (Gentleman) Maske“ herausgekommen ist und auch nicht „Voices In The Dark“ aus dem Jahr 1996. Bereits 1985 wurde die MAXISingle „Macksy“ oder auch „Maxxi“ auf Anfrage einer Plattenfirma für „die Discotheken“ eingespielt. Schon kurz nach ihrem Erscheinen wurde die Maxi wieder aus dem Katalog gestrichen, so dass die VinylSingle heute eine gesuchte Scheibe ist. Die Musik indes kann man nun auf der „La Vie Electronique Vol. 10“ hören. Auf fast acht Minuten herrschen die typischen Electronic-Beats der 80’er Jahre, die Klaus mit einigen Melodien und Sounds auf seinen Synthies unterlegt. Das klingt wie eine Mischung aus Klaus Schulze, Jan Hammer und Space, hat aber seinen ganz besonderen Charme.

Den Abschluss der ersten CD bildet dann das Stück „Weiter, weiter!“, das einen Livemitschnitt aus einem Konzert, das 1985 in Aachen gegeben wurde, darstellt. Dieses Stück ist ein wirkliches Unikum, denn es wurde bisher nicht veröffentlicht und macht diese Ausgabe der „La Vie Electronique“ für Schulze Fans besonders wertvoll, bekommen sie doch mit diesem Track 10:37 Minuten an bisher unveröffentlichter Musik geboten. Klanglich recht gut, scheint es sich hierbei aber um ein Bootleg zu handeln, denn der Mitschnitt wurde mit Außenmikrophonen, die klingen als seien sie mitten im Publikum platziert gewesen, aufgenommen. Man hört ein enthusiastisches Publikum, das förmlich aus dem Häuschen ist. Klaus bietet einen neuen Track, der für eine Oper, die er plante, gedacht war. Sie ist aber nie erschienen.

Auf dem zweiten Silberling finden sich zwei Soundtracks, bei denen sich zum Teil recht experimentelle Musik mit treibenden und hypnotischen Parts abwechseln. Zum einen ist dass das 48minütige „Walk The Edge“, das für den amerikanischen Film „The Hard Way“ von Norbert Meisel komponiert wurde und zum anderen ist es das 27minütige „Havlandet“. Letzterer wurde von Regisseur Lasse Glomm gedreht. Es handelt sich dabei um ein Drama in den nördlichen schneebedeckten Gebieten an den Küsten Norwegens. Abgeschlossen wird diese CD dann mit einem Interview aus 1992 (in englischer Sprache).

Anfang der 90’er Jahre beschäftigte sich Klaus Schulze mit der Sampletechnik, in dem er Geräusche und Stimmen sampelte und sie in seine Stücke einband. Das war neu- und fremdartig zugleich. Und in diese Ära blickt der Hörer auf CD Nummer 3. Es geht los mit „Goodwill“. Dies ist ein Track der poppigen Experimente, die Klaus im Jahr 1991 als Art experimentellen Ausflug in den Bereich der populären Musik unternahm. Die meisten dieser Ergebnisse führten später zu dem offiziellen Wahnfried-Album „Trancelation“. Außer diesem. Es klingt wie eine frühe Version von „After Eleven“ aus dem „The Dome Event“-Album.

Die drei spanischen Titel „Olé“, „Habla Espanol“ und „Gaudi Gaudi“ stammen aus Mitschnitten, die während einiger Konzerte im Oktober 1991 in Spanien mitgeschnitten wurden. Sie waren jeweils Zugaben der Konzerte, deren Musik im Format der „Royal Festival Hall“-Mitschnitte gehalten sind.

1994 erschien das Album „Goes Classic“, das ursprünglich den Titel „Midi Klassik“ erhalten sollte. Auf dem Album spielt Klaus Stücke großer Komponisten auf seinem elektronischen Instrumentarium, was einen ganz besonderen Reiz hat. Die „Suite Nr. 3, D-Dur, 2. Satz - Air““ war ebenfalls für diese Produktion eingespielt worden, musste aber aufgrund des Platzmangels entfallen. Nun ist dieses Stück, das zuvor auf der „Jubilee Edition“ und der „Ultimate Edition“ herauskam, wieder erhältlich.

MIG setzen den hohen Standard der Klaus Schulze-Veröffentlichungen mit dem zehnten Teil der „La Vie Electronique“-Reihe fort. Wie gehabt werden die drei Silberlinge in einem achtseitigen Digipack mit 16seitigem Booklet, das durch die Linernotes und zahlreiche Fotos viel Information bietet, ausgeliefert. Eine gelungene Retrospektive, die die Jahre 1985 und 1991 abdecken. Und durch den bisher unveröffentlichten Bonustrack ist diese CD auch ein Muss für alle Schulze-Fans.

Stephan Schelle, Juni 2011

 
   

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