Hirudo - Twenty Years Later
 

Hirudo – Twenty Years Later
Eigenvertrieb www.uvasonar.de/pool/comp/ukutschera (2005)

Nach der bereits in 2005 erschienenen CDR von Hirudo mit dem Titel „First Incarnation“, auf der sich die beiden Freiburger Uli Kutschera (Klavier und Keyboards) und Peter Fischer (Keyboards und elektronische Perkussion) mit Tracks aus dem Jahr 1983 präsentierten, legen sie im Herbst 2005 ihr zweites Werk mit dem Titel „Twenty Years Later“ vor.

Die acht Stücke der fast 48minütigen CDR haben die beiden optisch in zwei Teile aufgeteilt. Die ersten fünf Tracks bieten elektronische Musik, während die letzten drei das „Concerto für Piano and Synthetic Orchestra C minor“ darstellen und im sehr klassischen Stil gehalten sind. „Lucy“ ist ein sehr schöner melodischer Lounge-Track, der schon einen gewissen Touch von Popmusik aufweist.
 

 

 

„Nathanael“ klingt etwas sakral und erfährt durch den Einsatz von Piano/Synthieflächen auch klassische Strukturen. Auf „Desert Song“ wird es dann wieder Popmusikartig, was vor allem durch die Gastmusikerin Tanja Bertsch, die hier einen durch Vocoder verfremdeten Gesang anstimmt, und den locker flockigen Sound hervorgerufen wird. Auch Lars Fasbender, der bei diesem Stück Gitarre spielt, sorgt für ein relaxtes grooviges Feeling. Eine Art Basslinie eröffnet „Twenty Years Later“, das dann in einen etwas seichten Teil übergeht.

Mit Track Nummer sechs startet der klassische Teil, der sehr orchestral beginnt und nach einem Klassikkonzert klingt. Diese letzten drei Titel unterscheiden sich vom ersten Teil der CD sehr stark und haben wenig mit Elektronikmusik zu tun, denn sie blitzt nur gelegentlich durch, wenn sie sich anhört wie die klassischen Werke eines Rick Wakeman. Hier zeigen die beiden ihre Fingerfertigkeit. „Twenty Years Later“ ist eine CD mit zwei Gesichtern. Zu Vinylzeiten hätte man von zwei verschiedenen Albumseiten gesprochen. Wer aber auch die klassischen Momente mag, der kann hier zugreifen.

Stephan Schelle, Dezember 2005

Und hier noch eine Rezension von Thomas Littek:

Mussorgsky im Café del Mar

Twenty Years later? Aus meinem LP-Regal ziehe ich das erste Werk von Hirudo, 'The first Incarnation' (das übrigens erst jüngst remastered auf CD erschienen ist, was der Klangqualität sehr gut getan hat). 1983 erschienen, es sind sogar schon 22 Jahre ...

Im Vergleich zum ersten Album ist die Musik von 'Twenty Years Later' runder geworden, vielleicht zeitgemäßer, aber mitunter vielleicht etwas zu brav. Dabei sind die Kompositionen der beiden Musiker völlig unterschiedlich: Kutschera setzt sehr stark auf klassische Elemente, bereits das erste Stück 'Heliobdellia' erinnert mit seinem durchgehenden Rhythmus an Ravels 'Bolero', während Fischer moderne, leichter verdauliche Stücke wie das schlichtweg schöne 'Lucy' liefert, ein Stück, das sich auf jeder Café-del-Mar-CD sehr gut machen würde. Die Mischung beider Stile bringt eine immer wieder überraschende Spannung in die CD. Kompositorisch treffen sich beide Musiker nur im Titelstück 'Twenty Years Later': Wenn auch hier die Anteile beider durchaus herauszuhören sind, ist es Fischer und Kutschera doch gelungen, eine harmonische Gesamtkomposition zu schaffen, von denen ich mir persönlich noch mehr auf dieser CD gewünscht hätte - aber vielleicht gibt es ja irgendwann 'Hirudo III' ...?

Ungewohnt klassisch für die heutige Zeit geht es in Kutscheras 'Concerto for Piano and Synthetic Orchestra C minor' zu, klassisch gegliedert in 3 Sätze 'Allegro', 'Andante' und ein 'Allegro' zum Schluss. Vom ersten bis zum letzten Ton hört man, dass die Bezeichnung 'Klavierkonzert' kein leeres Versprechen ist, wobei Kutscheras Sympathien für klassische, russische Komponisten unüberhörbar sind. Sein Flügel wäre auch mit einem 'echten' Orchester sehr gut vorstellbar, aber Hirudo vollbringen das Kunststück, mit ihrem 'Synthetic Orchestra' eine perfekte orchestrale Begleitung zu schaffen. Dabei schöpfen sie die vielfältigen Möglichkeiten moderner Synthesizer aus, ohne ins Experimentelle abzudriften. Dieses Konzert ist für mich bis zu seinem furiosen Schluss ein Hörerlebnis, das allenfalls durch eine noch stärkere Dynamik oder differenzierteren Einsatz 'synthetischer' Begleitinstrumente zu steigern wäre.

Insgesamt ist Hirudos 'Twenty Years Later' eine äußerst hörenswerte, spannungsgeladene CD, die sich vom Massenveröffentlichungs-Einerlei wohltuend abhebt. Hoffentlich müssen wir nicht wieder 22 Jahre auf 'Hirudo III' warten!

 

 
   

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