Gabriel Le Mar – Transition Stage
 

Gabriel Le Mar – Transition Stage
bandcamp, itunes, beatport, amazonmusic (2022)

(10 Stücke, 73:08 Minuten Spielzeit)

Auf seinem letzten Album Berlin Guitar erkundete Gabriel Le Mar die Übergangsbereiche zwischen elektronischer Tanzmusik und seinem eher Indie-inspirierten Gitarrensound, der auch einige Male in Richtung „Berliner Schule“ abbog. Auf seinem aktuellen Album „Transition Stage“ transportiert Gabriel seine persönlichen musikalischen Ideen, experimentiert weiter mit seinen handgespielten Gitarrensounds und vertieft auf sehr tanzbare Weise seine Lieblingsgenres wie Techno, Acid und Dub zu einer organischen Mischung.

 

 


Zehn Stücke mit Laufzeiten von 6:06 bis 8:04 Minuten Spielzeit finden sich auf dem neuen Album, das am 12.06.2022 erschienen ist. Diese haben Beats zwischen 100 bpm und 127 bpm. Sie sollen Zustände von Übergangsgefühlen vermitteln. Übergänge, die wir als Kinder unserer Zeit gemeinsam durchlaufen, prägen entscheidend unsere Wahrnehmung der Phänomene unserer Zeit und sind gleichzeitig Elemente der Musik.

Wir leben in einer Übergangsphase, in der wir hoffentlich bewusster, freundlicher und authentischer werden und Dinge loslassen, die nicht mehr gebraucht werden, also lasst uns positiv und achtsam zueinander sein, one love!, so lautet die Message von Gabriel Le Mar. Und in diesen Zeiten ist Liebe und Geborgenheit wohl auch das wichtigste Attribut.

Mit dem 7:17minütigen „Acid Guitar“ startet das Album. Hier mischt Gabriel Le Mar Techno-House mit einer Prise Dub-Techno und ausdrucksstarken E-Gitarren. Der Track hat einen guten Groove und die repetitiven Klänge setzen sich schnell im Ohr fest. Nach etwas mehr als drei Minuten setzt dann die E-Gitarre ein und setzt die Akzente, die leicht psychedelisch/krautig anmuten. Ein tanzbares Stück gleich zu Beginn des Albums.

Der 7:23minütige Titeltrack des Albums „Transition Stage“ ist ebenfalls recht rhythmisch angelegt und groovt entspannt und gleichzeitig treibend im 100bpm DeepTechHouse, garniert mit einer 303 Acidline, E-Gitarren und lässt Dub-Gitarren mit Progressive Rock inspirierten Gitarrenlicks in Call + Response durch das Arrangement gleiten. Das ist einfach hypnotisch.

Dem folgt das 6:06minütige „Misty Love Song“, das zunächst noch sehr ruhig beginnt, aber, nachdem der Rhythmus eingesetzt hat, positive Vibrations verbreitet. Der Groove wird dabei von herrlich atmosphärischen Gitarrensounds unterstützt.

Das 7:35minütige „Walk At Night“ tanzt in Richtung melodischen Detroit-Techno mit Latin-Swing, ausdrucksstarken Gitarren, orchestralen Streichern, einer funky 303 Acidline und einer gefühlvollen, melodischen Klangzuversicht, die zurück in den Tag führt und den Kreis schließt. Die treibenden Beats zu Beginn des Stückes wirken wie eine Autofahrt durch eine nächtliche Großstadtidylle. Zum Ende hin wird es dann sanfter und man erlebt den Sonnenaufgang vor dem geistigen Auge.

Mit 8:04 Minuten ist „Walked Into A Dream“ das längste Stück des Albums. In diesem Track nimmt uns Le Mar mit auf eine tiefe und trancige Reise in mimalistischen Acid-Techno, mit einem tiefen Pad-Sound und der Vocoder verfremdeten Stimme von Le Mar. Ein sehr perkussiver Track.

Das fast siebenminütige „Funky Projections“ rollt durch die Dubmix-Soundscapes wie ein schwerer Zug mit einem straighten Beat und funky Gitarren. Der Rhythmus, der sich wie bei einer Zugfahrt anhört, erinnert dabei eine Spur an Kraftwerk, ohne aber deren Sounds zu übernehmen. Der Track schreitet kontinuierlich und repetitiv voran, während Le Mar immer wieder Effekte, Sounds und Harmonien geschickt einstreut.

„Activating The Visual“ mit seinen 7:26 Minuten Spielzeit ist ein sehr rhythmischer Track, aus dessen Mitte sich immer wieder melodische Strukturen herausschälen.

Das 7:35minütge „In Still Trippin’ With Ralf + Florian“ assoziiert einen Track im Stile von Kraftwerk, dessen Hauptprotagonisten Ralf Hütter und Florian Schneider-Essleben waren. In diesem Track kreisen hypnotische polyphone Klänge, Sequenzen und E-Gitarren in einem Tanz psychedelischer Partikel und Muster umeinander und vereinen sich zu einem Stück psychedelischer Musik...besonders geeignet zum Fahren auf der Autobahn ;-), ist auf Le Mars Seite zu lesen. Ich für meinen Teil höre aber in dem Stück neben einigen wenigen Kraftwerkansätzen eher die „Berliner Schule“ heraus, denn die Gitarre erinnert mich doch stark an Manuel Göttsching und sein Ashra-Projekt. Auch der Berliner Lutz Graf-Ulbrich klingt auf den Alben „Analog Overdose“ von Fanger & Schönwälder feat. Lutz Graf-Ulbrich ähnlich.

Das 7:25minütige „Micromelodic (Organic Jam)“ mischt DubTechHouse-Elemente mit sanften Gitarren und einer Prise Acid in einem organischen Flow. Der Track zeigt sich von einer rhythmischen und doch relaxten Seite.

Zum Ende schließt sich der Kreis, denn Gabriel Le Mar hat den Eröffnungstitel in einer weiteren Version ans Ende gestellt. „Acid Guitar (Beatless)“ konzentriert sich auf die melodischen und harmonischen Elemente und einer eher chilligen Stimmung. Zwar ist der Track immer noch rhythmisch, wirkt aber wesentlich relaxter.

Gabriel Le Mar hat mit seinem neuen Album wieder die perfekte Mischung aus Harmonien und Rhythmen gefunden. Die Stücke sind sowohl tanzbar als auch zum entspannen und relaxen geeignet. Seine Stärken haben die Tracks wenn Le Mar in die Seiten seine E-Gitarre greift. Dann kommen immer wieder leicht psychedelische/krautige Passagen auf, die durchaus an die „Berliner Schule“ erinnern. Musik, die ich mir - aufgrund ihrer unwiderstehlichen Grooves - auch gut auf der Love-Parade vorstellen kann.

Stephan Schelle, Juli 2022

 
   

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