Filter-Kaffee - 104
 

Filter-Kaffee - 104
Manikin Records (2019)

(
4 Stücke, 74:02 Minuten Spielzeit)

Mario Schönwälder scheint mit seinem Projekt Broekhuis, Keller & Schönwälder nicht gänzlich ausgelastet zu sein, denn seit 2011 veröffentlicht er zusammen mit seinem Berliner Kollegen Frank Rothe (Fratoroler, Fringo Chills) unter dem Pseudonym Filter-Kaffee elektronische Musik im Stile der Berliner Schule. Die einzelnen Veröffentlichungen tragen Nummern, beginnend ab der Nummer „100“. Im Herbst 2019 ist nun das fünfte Album der beiden Musiker erschienen, es trägt den Titel „104“.

 

 


Vier Stücke enthält die CD, von denen zwei bei Konzerten live mitgeschnitten wurden und die anderen beiden zwischen 2017 und 2019 in Berlin im „The Room“ aufgenommen wurden. Alle Stücke sind Longtracks und liegen jenseits von 16 Minuten Spielzeit.

Los geht es mit dem 23:26minütigen Stück „Belgian Romance“, das am 20.05.2017 beim Cosmic Nights Festival in der Luchtfabriek im belgischen Heusden-Zolder mitgeschnitten wurde. Elektronische Sounds, die industriell (metallisch) und leicht experimentell klingen, eröffnen diesen Track. Es dauert gut anderthalb Minuten bis sich in diese Szenerie Flächen und Harmonien einbringen. Wenn dann nach etwas mehr als drei Minuten Mellotronklänge aufkommen, zeichnet sich das Klangbild dann im Stil der „Berliner Schule“. Wunderbare Sounds und Harmonien ziehen ab jetzt durch den Raum. Nach weiteren anderthalb Minuten kommt dann ein Sequenzerrhythmus auf und der Track nimmt langsam Fahrt auf. Filter-Kaffee lassen die 70’er Jahre von TD in ihren Sound einfließen und machen daraus ihr eigenes Ding.

Der zweite Track, „Another Wasteland“ (16:19 Minuten), entstand im Studio. Zu Beginn sind mystische Sounds zu vernehmen. Auch die Harmonien heben sich nicht wirklich von dieser mysteriösen Stimmung ab. Es dauert mehr als eine Minute bis dann schwebende Harmonien für eine wohlige Atmosphäre sorgen. Nach gut dreieinhalb Minuten wird es dann rhythmisch und der Track erhält durch die Klangfarben und den pulsierenden Unterboden einen unwiderstehlichen Anstrich.

„Een Elektronisch Winterlandschap“ (17:05 Minuten) wurde am 20. Oktober 2018 beim niederländischen E-Live-Festival in Oirschot mitgeschnitten. Filter-Kaffee spielten ihren Gig im Upper Room des Theatre de Enck. Spacige, flirrende und auch blubbernde Synthiesounds sind zu Beginn zu hören. Dann kommt ein Klangmischmasch auf, der sich aber ab Minute Zwei im Gesamtgemenge und den nun eingängigen Flächen auflöst. Die Harmonien wechseln sich mit metallischen Klängen ab und werden im weiteren Verlauf durch sehr schöne schwebende Klangskulpturen ersetzt. Auch in diesem Stück blitzen Tangerine Dream der 70’er Jahre auf.

Beim letzten Stück, dem 17:12minütigen „Radiant der Lyriden“ handelt es sich wiederum um eine Studioaufnahme, die im „The Room“ entstanden ist. Dieses Stück beginnt zunächst recht düster. Bei mir werden bei den Klängen Bilder einer verlassenen Industrieanlage erzeugt. Allerdings findet man bei Wikipaedia folgende Erklärung für Lyriden: Die Lyriden sind ein jeden Frühling auftretender Meteorstrom, der schon seit einigen Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung bekannt ist. Der Name leitet sich vom Sternbild Leier ab‚ dem antiken Zupfinstrument Lyra. Mit dieser Erläuterung kann ich mir auch gut einen Soundtrack vorstellen, der Kometen bei ihrem Streifzug durchs All untermalt, da die Klänge spacig und langsam dahinziehen. Erst nach gut viereinhalb Minuten kommt dann ein Sequenzerrhythmus auf, der nun für mehr Drive sorgt.

Mario Schönwälder und Frank Rothe sind ihrem Stil, den sie seit 2011 mit ihrem Projekt Filter-Kaffee beschreiten, auch auf ihrem neuesten Album „104“ treu geblieben. Dabei bewegen sie sich im Umfeld der 70’er Jahre von Tangerine Dream. Ein gelungenes Werk der „Berliner Schule“.

Stephan Schelle, Dezember 2019

 
   

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