Fanger & Schönwälder - Analog Overdose 4
 

Fanger & Schönwälder – Analog Overdose 4
Manikin Records (2007)
(CD: 3 Stücke, 64:02 Minuten Spielzeit)
(DVD: 3 Stücke, 75:00 Minuten Spielzeit)
 

Es geht auf das Ende des Jahres zu und da präsentiert uns Manikin Records noch ein Schmankerl, das rechtzeitig zum Weihnachtsfest herauskommt. Ich meine den mittlerweile vierten Teil der „Analog Overdose“-Reihe von Thomas Fanger & Mario Schönwälder. Eigentlich ist es ja sogar schon der fünfte Teil, wenn man „Analog Overdose 0.9“ mitzählt. Und nicht zu vergessen „Analog Overdose - The Ricochet Dream Edition“, die beim Label Ricochet Dream herausgekommen ist.

Die CD bietet drei Stücke, die im Studio in Berlin bzw. in Frankfurt aufgenommen wurden. Die beiden Elektroniker bieten auf dem Silberling eine ganze elektronische Nahrungs-Tagesration für einen durchschnittlichen Erwachsenen an, denn die Stücke tragen den Zusatz „Breakfast“, „Lunch“ und „Dessert“.
 

 

 

Während die Stücke der DVD im britischen Liphook live mitgeschnitten wurden, stammen die drei Tracks auf der CD aus den Studios in Berlin und Frankfurt. Der erste Track „Berlin Breakfast“ startet zunächst recht ruhig und flächig, bevor dann nach einigen Minuten der Sequenzer einsetzt. Hier wird typische Schönwälder-Kost, die nah an der „Berliner Schule“ angesiedelt ist, geboten. Retro in modernem Kleid, könnte man es auf den Punkt bringen. Im späteren Verlauf gesellen sich noch herrliche Melodielinien hinzu und umschmeicheln das Ohr, so wie es Tangerine Dream in ihren früheren Jahren konnten. Immer durchzieht ein hypnotischer Rhythmus den Hintergrund. Und dann kommen auch noch Sounds hinzu, die nach E-Gitarre klingen und eine Mischung aus Tangerine Dream und Manuel Göttsching darstellen.

Das zweite Stück bietet völlig andere Sounds. So sind zu Beginn einige elektronische Klänge zu hören, die Tierstimmen wie Schafe, Hunde und Vögel nachahmen. Zwar sind die Sounds auch an Tangerine Dream der 70’er angelehnt, aber irgendwie klingt das anders, eher wie ein Hörspiel. Durch die etwas bedrohliche Atmosphäre hat das was von einem „Aufstand der Tiere“. Dann nach gut fünf Minuten entwickelt sich der Track zu einem mitreißenden Sequenzerstück, das sich immer weiter entwickelt. Mit seinen Mellotron-Sounds ist das Stück sehr Tangerine Dream-lastig.

Den Abschluss macht dann „Berlin Dessert“. Dieses Stück erzeugt in der ersten Hälfte durch die Variation von flächigen Sounds ehr Stimmungen, als das es melodisch angelegt ist. Das haut mich nicht gerade um. In der zweiten Hälfte dominieren aber diese warmen Retrosounds das Bild und auch die Harmonien kommen wieder zum Vorschein. Das ist schon wieder mehr nach meinem Geschmack.

Das absolute Schmankerl ist aber die DVD, die dieser CD beigefügt wurde. Sie zeigt einen Mitschnitt vom Fanger & Schönwälder Konzert, das die beiden am 21. Oktober 2006 beim 5. Hampshire Jam auf der britischen Insel gegeben haben. Der Mitschnitt bietet drei Stücke mit einer Gesamtlaufzeit von 75 Minuten. Zwar agieren sie auf einer recht kleinen Bühne, aber durch den Einsatz mehrerer Kameras und damit verschiedener Blickwinkel sowie einiger Einblendungen kann man sich das Konzert gut ansehen.

Nun ist es nicht so fürchterlich spannend, zwei Elektronikern 75 Minuten zuzuschauen, wie sie in die Tasten greifen oder an ihren Sequenzern rumschrauben, daher wurden den Liveaufnahmen Bilder beigefügt, die Thomas und Mario zeigen, wie sie in England unterwegs sind. Mal sieht man sie auf der Straße vor einem Schaufenster, dann marschieren sie an einer Reihe von Garagen vorbei, dann sind sie mit ihrem Auto auf der Autobahn unterwegs oder fahren mit dem Auto in den Zug, der kurz darauf in den Eurotunnel einfährt. Das ist alles sehr kurzweilig und lockert die Liveaufnahmen auf.

Nach dem 45minütigen „Liphook Breakfast“, das in den ersten 15 Minuten quasi als Aufwärmphase Flächen und Akkorde, die sich nur langsam entwickeln, bietet, geht es dann richtig los, weil die Sequenzer für den nötigen Rhythmus sorgen. Das direkt anschließende „Liphook Lunch“ hält sich erst gar nicht mit großen Vorreden auf, sondern bietet herrliche Retrosounds, die u. a. mit dem Schrittmacher und dem Memotron erzeugt werden.

Bei einem mehrgängigen Menü ist vor allem die Nachspeise von besonderer Bedeutung und so ist das auch mit dem „Liphook Dessert“. Diese zehnminütige Zugabe zum Livekonzert hat es richtig in sich. Absolut hypnotische und fast extatische Rhythmen treiben diesen Track nach vorn. Und nicht nur das, Mario geht hinter seinem elektronischen Instrumentarium dermaßen ab, dass es ihm den Schweiß über sein schütteres Haupt treibt. Es macht wirklich ’ne Menge Spaß den beiden bei diesem Track zuzusehen, denn hier kommt richtig Action ins Spiel.

„Analog Overdose 4“ ist ein Muss für jeden Elektronikfan, der ein Faible für die „Berliner Schule“ oder halt eben Sequenzer orientierte Musik hat. Die Kombination aus CD und DVD ist mehr als gelungen, daher gehört die Scheibe in jede Elektroniksammlung.

Stephan Schelle, November 2007

 
   

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