Erez Yaary – Blind Vision
 

Erez Yaary – Blind Vision
MelloJet Records (2005/2007)
(7 Stücke, 62:29 Minuten Spielzeit)

Der aus Tel Aviv (Israel) stammende Elektronikmusiker Erez Yaary ist mir bis dato noch nicht aufgefallen, macht aber bereits seit 1986 Musik in unterschiedlichen Formationen. In 2008 gehört er mit zu den neuen Interpreten der jungen elektronischen Musik, die auf dem neuen MellowJet-Label eine Heimat gefunden haben. Und man kann wirklich sagen, dass er eine Bereicherung in der Elektronikszene ist, denn seine Musik ist rhythmisch und klingt frisch.

Neben seinem zweiten, bereits in 2006 veröffentlichten Album „Atmosphere“, das ebenfalls Anfang 2008 bei MellowJet als CDR erscheint, kommt zeitgleich das Debüt „Blind Visions“ heraus, das auch aus dem Jahr 2006 stammt.
 

 

 

Sieben Tracks mit Laufzeiten zwischen 4:31 und 13:47 Minuten beinhaltet das Album. Aber eigentlich kann man das Album als ganze Einheit bezeichnen, denn die Stücke gehen alle nahtlos ineinander über. Es beginnt mit dem mehr als neunminütigen „Analog“, das sehr rhythmisch und melodiös ist und an einigen Stellen auch Anleihen bei dem großen Franzosen Jean Michel Jarre aufnimmt, ohne diesen aber zu kopieren. Ganz im Gegenteil, denn die Sounds die Erez nutzt, klingen locker, frisch und druckvoll. Dieser erste Track macht schon richtig Spaß.

Sphärische Flächen führen in das folgende „Digital“ hinüber. Dieses 12minütige Stück ist von ganz anderer Struktur. Wenig Rhythmus, eher leicht pulsierende Sequenzen im Hintergrund, darüber flirrende Synthies und leichte Akkorde, die etwas psychedelisch und an die „Berliner Schule“ der 70’er erinnern (wer hätte das bei diesem Titel gedacht?) bestimmen nun das Bild. Aufkommende Flächen, die sich aus dem Hintergrund entwickeln und in den Vordergrund schieben, wechseln sich ab, mit plötzlich aufkommenden Rhythmuspassagen. Und dann kommt eine herrliche Melodielinie auf, die einfach mitreißt. Dazu mischt Erez industrielle, maschinelle Klänge. Durch diese Stilwechsel hält er das Stück über die volle Distanz interessant.

Mit einem sehr Schulze-typischen Sequenzerverlauf wechselt Erez zum nächsten Track „Crystal“. Ist hier etwa eine Anleihe zum „Crystal Lake“ herauszuhören? Ein schöner Track im Stil der „Berliner Schule“ mit einer einfühlsamen Melodie, der sich im Verlauf rhythmisch steigert und sogar Elemente von Synthiepop aufweist. Dabei schrammt Erez an wenigen Stellen leicht den gefährlichen Grat der Belanglosigkeit, kriegt aber rechtzeitig wieder die Kurve.

Uhrzeigerticken, ähnlich dem Beginn von Pink Floyds „Time“ überbrückt die Grenze zum nächsten, kürzesten Track „Timing“. Bei diesem Stück handelt es sich über weite Strecken um einen fast reinen rhythmischen Track, bevor dann im zweiten Teil einige Synthieklänge heraufziehen. Das Ganze hat aber mehr etwas von einem mystisch, atmosphärischen Track, bei dem Erez auf Melodien verzichtet. Die kommen dann aber umso gewaltiger und im Stile von Tangerine Dream im folgenden Titelstück. Über die volle Länge von mehr als 13 Minuten bringt er eine ganze Menge an Abwechslung, was Stimmungen, Rhythmen und Melodien betrifft. „Hybrid“ besteht vorwiegend aus Rhythmussequenzen mit einigen Melodietupfern und „Lucid Dream“ klingt zunächst wieder recht sphärisch, um dann in einen Rhythmus mit leichten Ähnlichkeiten zu Kraftwerk zu wechseln. Das hat wieder ein gewisses Esprit von Elektropop, bei dem man kaum die Füße ruhig halten kann.

Mit „Blind Vision“ legt Erez Yaary ein tolles Debüt hin, das dem Elektronikfreund gut munden wird, der einer Mischung aus traditioneller Elektronik mit Melodie und Rhythmus sowie einer Portion Synthiepop nicht abgeneigt ist. Mir gefällt das Album sehr gut. Eine echte Entdeckung des MellowJet-Labels.

Stephan Schelle, Januar 2008

 
   

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