Elektrohandel - aehnlich sein
 

Elektrohandel – aehnlich sein
MelloJet Records (2007)
(11 Stücke, 72:12 Minuten Spielzeit)

Eine der ersten neuen Veröffentlichungen bei dem Elektroniklabel MellowJet Records, das Bernd „Moonbooter“ Scholl im Sommer 2007 aus der Taufe gehoben hat, ist die CDR „aehnlich sein“ von dem deutschen Duo Elektrohandel. Und dieses Duo, bestehend aus Niels Hess und Marco Drewes, hat so einiges in ihrem Sortiment. Ganz unbekannt sind sie in der Elektronikszene nicht, obwohl mir bisher keines ihrer Werke über den Weg gelaufen ist. Seit 1995 machen sie zusammen Musik. Zunächst noch als CydonX, dann unter ihren Namen als Hesse/Drewes. Letzteres führte sie 1998 zu dem Label IC/Dig It Music, bei dem sie die beiden Alben „Cut-Off“ und „TranceMotion“ veröffentlichten. Für das Projekt Elektrohandel ging es dann in 2004 richtig los, denn die beiden veröffentlichten zwei EP’s und sechs Studioalben beim Nova Tune Label. Das neue Album ist jetzt bei MellowJet Records zu beziehen.
 

 

 

Zunächst assoziiert der Albumtitel eine Anbiederung an große Namen der Elektronik, denn die Frage sei gestattet „Wem wollen sie ähnlich sein?“. Schon der erste Hördurchgang zeigt aber, dass dies nicht so gemeint ist, denn die Hauptbestandteile des Sortimentes sind Ambient, ChillOut und Lounge und gleichen eben keinem anderen Künstler. In den Auslagen finden sich dann noch weitere „Kleinteile“, die das Gesamtbild dieses Elektronischen Einzelhandels verfeinern. So findet sich im Regal (Stück) „handeln (acting)“ zunächst eine Jarre-typische Rhythmuspassage die später mit einem Reggae-Rhythmus, der frisch aus dem Lager geholt wurde, versehen ist und dann liegt da im Regal „ruhig bleiben (staying Calm)“ noch ein Sitarsound, der dem Stück einen ethnischen Touch verleiht.

Die Stücke sind strukturiert aufgebaut und bieten nach einer kurzen flächigen Einleitung sehr schöne Harmoniebögen, Melodien und Rhythmen. Dies trifft für fast alle Stücke zu.

Doch treten wir mal hinein, in den Elektrohandel. Nachdem wir mit „fuehlen (feeling)“ die erste Schwelle genommen haben, schweben die Gedanken trotz des knarzenden Rhythmus bei dem Stück „entspannen (chilling)“ fort, weil die vielfältigen Sounds, die von den beiden dezent eingesetzt werden, sich in die eigenen Sinne bohren. „handeln (acting)“ beginnt erst recht beschaulich wird von einem Dub-mässigen Sound dann in einen tollen Rhythmus übergeleitet, der zum Tanzen einlädt. Zumindest kann man das Stück nicht regungslos verfolgen. Ein toller Track.

Das die beiden es auch ruhiger können, zeigen sie in „sprechen (talking)“, bei dem die simple Pianomelodie den Grundstein legt, auf dem sich der Track dann langsam entwickelt. Das ist sehr spannend mit anzuhören. Experimentelle Klänge sind ihnen auch nicht fremd, das erfährt man, wenn man den Verkäufer nach „spielen (playing)“ fragt. Die Hörer mit den sanften Gemütern werden dann aber mit dem folgenden „sehen (seeing)“ wieder mit wohltuenden Flächen umschmeichelt, die mit einem außergewöhnlichen Rhythmus versehen sind.

Beim Stück „abgehen (going off)“ wird man nicht enttäuscht, denn dem Titel entsprechend haben die beiden einen ordentlichen Rhythmus eingebaut. Allerdings muss der Hörer sich gute zweieinhalb Minuten gedulden, in denen Flächen und ein gemächlicher Rhythmus erst in die Irre leiten, doch dann geht es richtig gut ab. Vor allem dieser rhythmische Teil gefällt mir sehr gut. Mit dem abschließenden elften Track „gehen (walking)“ kommt ein Stück, das sich anhört, als wären elektronisch verfremdete Didgeridoos verwendet worden. Das hat was hypnotisches, so wie bei einem stampfenden Ritualtanz. Doch auch hier ändert sich die Lage nach einigen Minuten und mystische Sounds umgeben den Hörer. Nach gut 6:20 Minuten fadet der Track aus, aber es ist noch nicht Schluss, denn den Hörer erwartet noch ein Hidden-Track, der dem elften Stück angehängt ist. Und hier schon mal der Hinweis, keinen Schrecken zu bekommen, denn nach gut anderthalb Minuten Stille setzen auf einmal sägende Gitarren ein, dazu ein rauer Gesang und man glaubt, dass hier Reste eines anderen Albums zu hören sind. Das hat dann mehr mit Rockmusik der psychedelischen Ausrichtung zu tun, als mit Elektronik. Nach etwas mehr als einer Minute ist dann der Spuk vorbei und die CD ist beendet.

Das Sortiment, das der von mir neu betretene Elektrohandel zu bieten hat, ist eine Bereicherung im Elektronikbusiness. In diesem Laden werde ich mich noch öfter aufhalten. Freunde der lounge-/chilligen Fraktion sowie der guten Elektronikmusik ist dieses Werk zu empfehlen. Elektrohandel sind eine gelungene Entdeckung des MellowJet Labels.

Stephan Schelle, Oktober 2007

 
   

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