Eberhard Schoener – Trans-Formation
 

Eberhard Schoener – Trans-Formation
made in germany music (mig) (1977 / 2010)
(5 Stücke, 38:41 Minuten Spielzeit)

Das zweite Album in der Wiederveröffentlichungsreihe von Eberhard Schoener-Werken ist das 77’er „Trans-Formation“. Ging Schoener auf „Bali-Agung“ noch recht meditativ ans Werk, so zeigt er auf dem neuen Album schon eine rockigere Ader und kombiniert dies mit sakralen Gesängen. Das liegt vor allem auch an der Besetzung der Musiker. Neben Schoener, der Moog, Orgel, Piano und Mellotron spielt, sind Andy Summers (Gitarre), Hansi Ströer (Bass), Nippy Noya (Perkussion), Mary Gregoriy (Gesang), Raimund Elleder (Keyboards) und Mitglieder des Tölzer Knabenchores zu hören.

 


Wem der Name Andy Summers bekannt vorkommt, der liegt genau richtig, denn bei ihm handelt es sich um den späteren Gitarristen der britischen Band Police. Auch Stewart Copland und Sting stießen bei späteren Schoener-Produktionen (zum Beispiel bei „Flashback“ und „Video-Magic“) hinzu.

Eberhard Schoener sagt selbst zu dem Album: „Was mich damals interessierte, war zum Beispiel bei ‚Frame Of Mind’ (Anmerkung: es ist das dritte Stück der CD und erste der zweiten LP-Seite), dem ersten Stück auf der LP, eine Art Verschiebung musikalischer Schichten herzustellen, das heißt die Chöre, fast kanonisch, immer in einem bestimmten Zeitabstand nacheinander einsetzen zu lassen. Das hatte eine unglaubliche Wirkung. Wir mussten das technisch sehr raffiniert hinbekommen, denn es gab ja noch keine Computer. Also zogen wir durch das EMI-Studio Tonbandschleifen von etwa acht, neun, zehn Metern Länge, die in festgelegten Zeitabständen gestartet werden mussten. Das war ein in technischer Hinsicht geradezu verrücktes Vorhaben und ich glaube, in der Art war überhaupt noch nie produziert worden.“

Das Stück wirkt wie aus einem Kloster, also wie gregorianischer Chorgesang. Darüber legt Schoener eine herrliche Fläche, die mit Gitarre und Bass verziert wird. Hier trifft atmosphärische Rockmusik auf sakrale Stimmungen. Etwa in der Hälfte des Songs setzt dann das Schlagzeug/Perkussion ein. „Als ich die Zeitverschiebung fertig hatte, sagte ich zu Andy und Nippy Noya, dem Perkussionisten: „Vergesst den Beat, vergesst den Takt! Spielt frei nach eurem Gefühl. Ich möchte eine vollkommene Verwischung des Takts haben.“ Und genau dieses unglaubliche Gefühl bringen die Musiker hier rüber.

Den Beginn der CD macht aber „Falling In Trance“, ein unglaublich faszinierendes Werk, bei dem Eberhard die Chöre mit pulsierenden elektronischen Rhythmen kombiniert, die einem förmlich die Sinne vernebeln. Andy’s E-Gitarre zersägt im späteren Verlauf in recht progressiver Art diese Stimmung. „Beim Moog-Synthesizer war ein Sequenzer dabei. Dieser Sequenzer erlaubte es, ganz bestimmte Tonfolgen zu wiederholen und so den Black-&-Decker-Effekt hervorzurufen. Wir wurden für den Deutschen Schallplattenpreis nominiert, da das Black-&-Decker-Prinzip etwas völlig Neues war.“ Einige Zeit später hörte Schoener ähnliche Klänge in einer New Yorker Disco. Es war der Nummer 1-Hit „I Feel Love“ von Donna Summer, der von Giorgio Moroder produziert war und der diesen Sound von Schoener genutzt hatte. Einen Rechtstreit verlor Schoener aber später.

„Trans-Formation“ ist ein faszinierendes und hypnotisches Album, das zwischen Elektronikmusik und Rock hin und herpendelt und dabei sakrale Gesänge hinzufügt (lange bevor Michael Cretu dies für sein Enigma-Projekt entdeckte). Das Album hat von seiner Faszination auch im neuen Jahrtausend nichts verloren. mig haben damit einen Schatz gehoben, dem im Frühjahr 2011 mit „Flashback“ und „Meditation“ zwei weitere folgen werden.

Stephan Schelle, Oktober 2010

 
   

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