Detlef Keller – Behind The Tears
 

Detlef Keller – Behind The Tears
SynGate (1999 / 2011)
(8 Stücke, 77:49 Minuten Spielzeit)

Nach dem 98’er Album „Masquerade – Die vier Elemente“, bei dem sich der Elektroniker Detlef Keller mit den Elementen Luft, Wasser, Feuer und Erde befasste, kam 1999 sein fünftes Solowerk (die CD „EM-Weihnachten“ nicht mitgerechnet) unter dem Titel „Behind The Tears“ heraus. Die CD erschien seinerzeit auf dem Manikin Records Label von Mario Schönwälder und ist mittlerweile vergriffen. Anfang 2011 ist die CD als CDR beim deutschen Label SynGate erneut herausgekommen, so dass dieses wunderbare Album wieder erhältlich ist.

 


Detlef geht auf dieser CD den Hintergründen der Tränen nach. Manche entstehen aus Trauer, andere aus überschwänglicher Freude. Er versucht mit seiner Musik diese Stimmungen einzufangen. In dem Booklet schreibt er: „Tränen – ein Ventil für unsere Empfindungen. Die Auslöser für unsere Empfindungen sind sehr vielfältig. So kann es körperlicher oder seelischer Schmerz sein, es kann Lust oder herzhaftes Lachen sein, was uns die Tränen in die Augen treibt. Aber auch eine Zwiebel, eine Polle oder ein Fremdkörper im Auge können Tränen hervorrufen. Doch egal was auch die Ursache ist – Ergebnis sind Tränen. Und nicht immer ist zu erkennen was sich dahinter verbirgt. Auch Musik ruft Empfindungen hervor und zwar sehr unterschiedliche.“

Die einzelnen Tracks sind schlicht „Tear 1“ bis „Tear 8“ bezeichnet. Detlef hatte ihnen bewusst keine Namen gegeben, um dem Hörer die Möglichkeit zu geben, die Musik wirken zu lassen. Die Wiederveröffentlichung enthält die Originalstücke des 99’er Werkes.

Detlef geht – wie schon auf seinen anderen Alben – sehr melodisch ans Werk. Des Öfteren setzt er eine Pianolinie ein, die das Leitmotiv spielt. Mit „Tear 1“, einem mehr als 13minütigen Track geht es los. Sanfte Flächen und ein leicht pumpender Rhythmus bilden die Grundlage, auf der Detlef seine zarte Melodie legt. Langsam entwickelt sich das Stück und gewinnt an Dynamik. So nimmt nach nicht ganz fünf Minuten der Rhythmus einen stampfenden Beat an und auch Perkussionrhythmen werden hinzugefügt, die dem Stück eine natürliche Note verleihen. Nach einer weiteren Steigerung läuft der Track dann zum Ende hin mit Sounds, die an Tangerine Dream erinnern, aus.

„Tear 2“ ist mit 3:42 Minuten für Elektronikverhältnisse schon recht kurz. Hier präsentiert uns Detlef ein romantisch, verträumtes Stück, das an der Grenze des kitschigen schrammt. Das ist mir eine Spur zu süßlich (passt durch seinen Sound auch gut in die Weihnachtszeit). Da ist „Tear 3“ schon wieder aus anderem Holz geschnitzt. Die eröffnenden Flächen und der romantische Sound bzw. die Melodie wirken wesentlich homogener und fesselnder. Da kommt eine Spur von Vangelis in dem Stück auf (das liegt sicherlich auch einigen Rhythmusmustern).

Fast klassisch kommt „Tear 4“ daher. Ein sehr schönes, symphonisches und theatralisches Stück Musik im typischen Keller-Stil. Der stetige Rhythmus aus Streichersounds zieht sich wohltuend durch den Track. Auf dieser Grundlage lässt Detlef seine Motive herrlich locker und sanft entfalten. Mit „Tear 5“ kommt erneut ein Longtrack, denn er bringt es auf fast 14 Minuten. Auch dieser Part startet mit herrlich öffnenden, weiten Flächen. Das ist Musik zum wegträumen und abheben. Langsam kommt aus dem Hintergrund eine Sequenz und paart sich mit einer sehr schönen Rhythmussequenz. Auch dieser Track steigert sich von Minute zu Minute. Das ist Keller at it’s best. Hier kann man schnell mal eine Gänsehaut bekommen.

Nun folgt das längste Stück des Albums, „Tear 6“, das es auf 22 Minuten Spielzeit bringt. Zunächst erklingt ein Sound, der sich wie eine Gitarre anhört. Und der Hörer liegt auch gar nicht so falsch, denn Detlef hat sich bei diesem Stück Andreas Braun, der auch als Arcanum in der Szene bekannt ist, als Gastmusiker zur Seite gestellt. Die Gitarrenpassage stammt aus einer Session, die beide Musiker im August 1999 in Duisburg gespielt haben. Das Stück ist sehr atmosphärisch und Gitarre und Synthies gehen eine perfekte Kollaboration ein. In der zweiten Hälfte geht es dann rhythmischer zu, denn Detlef schmeißt seinen Sequenzer an, der treibende und hypnotische Rhythmusmuster hinzusteuert. Hier klingt dann Andreas’ Gitarre auch elektrischer. Ein toller Track, in den man sich fallen lassen kann.

Fast technoartig mit Streichern kommt „Tear 7“ daher. Mir fällt spontan Rondo Veneziano meets Techno dazu ein. Sakral – mit Kirchenorgel – beendet Detlef dann mit „Tear 8“ das Album.

SynGate hat ein verändertes Cover und Booklet erstellt. Während die OriginalCD einige sehr schöne Bilder der Silhouette von Detlef’s damaliger Freundin vor Laserstrahlen zeigt, die in einer Moerser Diskothek entstanden sind, schaut auf der 2011’er Ausgabe ein junges Mädchen durch zersplittertes Glas.

Schön, dass dieses Werk wieder erhältlich ist. Mit Ausnahme vom kurzen „Tear 2“ enthält dieses Album tolle Musik von Detlef Keller. Wer das Album bisher noch nicht sein Eigen nennt, dem empfehle ich auf die Wiederveröffentlichung zurückzugreifen. Alle anderen haben mit dem Original eh ein klasse Werk in der Hand.

Stephan Schelle, Februar 2011

 
   

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