Der König - Memories Of Trees
  Der König - Memories Of Trees
11/ 72:38 SynGate CD-R 2029 (2004)

Der König, welch ein hochtrabender Name für ein Musikprojekt. Hinter diesem Namen verbirgt sich Bernd König und somit ist der Projektname gar nicht so abwegig. Bernd dürfte einigen, die sich Ende der 70’er / Anfang der 80’er im Krautrockbereich tummelten kein unbekannter sein. Von 1979 bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1982 war er Mitglied der deutschen Band Hoelderlin. Damals sang er und spielte Keyboards.

Im Jahr 2004 erscheint nun eine Solo CD (als CDR) bei dem Elektroniklabel SynGate. Der Titel des über 72minütigen Albums lautet „Memories Of Tress“. Das Album hat er Joachim von Grumbkow gewidmet, der ebenfalls bei Hoelderlin Mitglied war und der bereits 1990 verstorben ist. Insgesamt 11 Songs mit Spielzeiten zwischen 4:48 und 8:44 Minuten Länge finden sich auf der CD.

Der Titel der CD und das Cover lassen auf düstere Musik schließen, also legen wir mal den Silberling ins Laufwerk und hören was da so kommt.
 

 

 

 

Die CD beginnt mit dem Titel „Lift Off“ der zu Anfang eine rhythmische Perkussionsequenz bietet, der Synthieflächen folgen. Bis zur Hälfte zieht der Track eher in ruhigen Gewässern dahin bis dann die E-Gitarre einen etwas rockigeren Touch hineinbringt und die Melodie unterstützt. Aber insgesamt ist das ein eher ruhiger Start.

Mit „Phoenix“ geht es dann weiter. Dieser Track bietet eine ganz andere Atmosphäre und lebt von der basslastigen Gitarre (oder ist das gar ein Kontrabass?) und den Synthieflächen. Den Rhythmus bildet eine Art Conga-Sound, später dann das Schlagzeug. Schöner Track zum relaxen, da er eine entspannte Stimmung in mir beim Hören erzeugt.

„Goodbye Earth“ lässt sich schwer beschreiben, da Rhythmus uns Sound irgendwie etwas jazziges haben. Neben den Keyboards werden auch wieder Schlagzeug und Kontrabass eingesetzt. Mal fühle ich mich in eine verrauchte Bar versetzt, dann wirken die Keyboards doch wieder etwas fremdartig und ich finde mich in einer ausufernden Landschaft wieder. Ein sehr atmosphärischer Titel.

Der nächste Track „See The Light“ hat hellere Synthiesounds und entführt mich gedanklich in den Kosmos. Das klingt wie in Filmen, in denen die Rakete den eigenen Orbit verlässt und ins dunkle des Alls stößt. Ich denke da als alter Bond-Fan (au weia, jetzt habe ich mich geoutet) an die Szenen von Moonraker, als das Spaceshuttle ins All fliegt und dann die Raumstation zum ersten Mal ins Blickfeld kommt. Das ist wieder ein sehr ruhiger aber atmosphärischer Titel.

Jetzt wird es rhythmisch. Durch die startende Perkussion erwartet man den Beginn eines Popsongs, doch gleich ertönen wieder diese Keyboardflächen, die einen weiten Raum öffnen. Bernd erzeugt hier eine ähnliche Stimmung wie im vorangegangenen Titel. Der Name dieses Tracks lautet „Explorer“.

Mit „I Feel Free“ kommt der bisher eingängigste Titel des Albums. Eine sehr schöne Rhythmuspassage startet den Song, dann erklingen im Background indianische Gesänge. Bei diesen Gesängen bleibt es aber nicht, denn auch Bernd verdingt sich in diesem Stück als Sänger. Sein etwas traurig anmutender Gesang wird aber nur sporadisch eingesetzt, die Instrumentalpassagen bilden hier eindeutig den Hauptteil des Songs. Der Titel gefällt mir ausgesprochen gut.

Der längste Track des Albums „Childhood“ beginnt, dem Titel entsprechend, mit einer glockenartig gespielten Version des Kinderliedes „Hänschen klein“. Das klingt so, als würde eine Spieluhr geöffnet. Nach gut einer halben Minute wechseln Stimmung (die Spieluhr klingt jetzt wie das Schlagen einer Uhr) und Sound. Durch Synthieflächen (hört sich an wie Wind, der über eine Steppe fegt) und Melodielinien entstehen weite, offene Landschaften vor dem inneren Auge. Jetzt entwickelt sich der Titel zu einer handfesten Elektroniknummer. Nach gut zweieinhalb Minuten wird es melodischer und rhythmischer, da sich Songstrukturen in den Titel einfinden und das Stück weiter vorantreiben.

Schamanische Gesänge eröffnen den Titel „Bush Of Ghost“. Darüber legt Bernd wieder die weitflächigen Synthieteppiche. Dieses Stück versetzt mich bildlich nach Australien in die Nähe des Ayers Rock mit seinem roten Felsgestein. Vor mir tut sich die Weite des Australischen Outbacks auf (auch ohne Didgeridoos) und irgendwie scheine ich dahinzufliegen.

In einen tiefen Schlaf will uns Bernd mit dem Song „Deep Sleep“ schicken. Vorwiegend bilden Synthieakkorde die Grundlage, dann kommen Akustikgitarre und im späteren Verlauf auch etwas düstere Sounds (Sprachsamples?) hinzu die einen Alptraum darstellen sollen. Auch ein Saxophon wird atmosphärisch eingesetzt.

„Angel Of Dust“ ist wieder ein mit Gesang versehener Track. Er hat aufgrund der Chorstimmen eine leichte Ähnlichkeit mit Enigma oder B-Tribe. Durch den Einsatz der Akustikgitarre entwickelt sich ein sehr romantischer, vielleicht sogar etwas melancholischer, unter die Haut gehender Song. Auch das Didgeridoo wird erstmals eingesetzt. Das erfolgt aber sehr dezent und passt gut ins Gesamtbild. Für mich der beste Titel des Albums.

Mit dem Titelstück endet die CD. Es beginnt symphonisch mit Streichersounds. Und so symphonisch wird der Titel auch weitergeführt. Das klingt an einigen Stellen nach größerem Orchester und hat so etwas von Filmmusik.

Die Musik auf „Memories Of Trees“ hat so gar nichts mit dem zutun, was Bernd in seiner Zeit bei Hoelderlin machte. Auch Kraut- oder Psychedelic-Rock findet man hier nicht. Die Scheibe ist eindeutig in die Kategorie Elektronikmusik einzuordnen. Es ist aber - nicht wie man auf den ersten Blick meinen könnte - keine düstere Musik. Vielmehr versteht es Bernd mit seinen Instrumenten unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen. Man möchte in den meisten Fällen bildlich in die Ferne schweifen und die Wolken über sich ziehen lassen. Musik zum träumen und eintauchen.

Stephan Schelle, September 2004