Blanko
 

Bridge To Imla - Lost
Eigenvertrieb (2021)
(10 Stücke, 75:47 Minuten Spielzeit)

Bridge To Imla, das ist das Elektronikduo bestehend aus dem unglaublich vielseitigen Michael Brückner (Synthesizer, Keyboards, Electronics) und Hans-Dieter Schmidt (Synthesizer, Keyboards, EWI). Die Beiden hatten bereits im Jahr 2018 ein Album mit dem Titel „One January Evening“ veröffentlicht. Nun also ein weiteres Werk mit dem Titel „Lost“. Die zehn enthaltenen Stücke mit Laufzeiten von 3:24 bis 17:38 Minuten Spielzeit sind in der Zeit zwischen 2012 bis 2021 entstanden, wobei der Hauptteil in 2017, der Anfangszeit des Duos (noch vor Veröffentlichung des Debüts „The Radiant Sea“), eingespielt wurde.

 

 


Thematisch geht es bei dem Album um die Frühzeit unseres Planeten was sich in dem Begleittext im vierseitigen Booklet zeigt. Dort heißt es sinngemäß: In der geologischen Zeitskala ist das Changhsingian oder Changxingian das jüngste Zeitalter des Perms. Es dauerte von vor 245,14 bis 251,902 Millionen Jahren. Das Changhsingian endete mit dem permisch-triassischen Aussterbeereignis, bei dem die globale Artenvielfalt vernichtet wurde. Die Welt nach dem Aussterben war fast leblos, menschenleer, heiß und trocken. Terrestrische Ökosysteme erholten sich 30 Millionen Jahre lang nicht ...

Mit dem 6:27minütigen Titeltrack „Lost“ starten die Beiden in das Album. Recht melancholische Klänge und Harmonien, die zu Beginn noch mit synthetischen Sounds von schreienden Vögeln oder Tieren durchzogen sind, starten in das Album. Flirrende Sounds, die wie eine klangliche Fata Morgana wirken, durchbrechen ebenfalls diese melancholische Stimmung. Das wirkt auf der einen Seite unwirklich, auf der Anderen doch auch – dem Thema entsprechend – recht traurig. Sanft, mit Wehmut und doch wohlig klingt dieser erste Track aus. Es folgt das mit 17:38 Minuten längste Stück des Albums, „Rivers Of Pangea“. Sanft ziehen hier Flächen durch den Raum und werden nach wenigen Momenten von einem leicht rhythmischen Synthie-Motiv erweitert. Auch dieser Track wirkt unwirklich durch die sich aufbauenden und leicht verändernden Flächen, die zwar harmonisch sind, aber doch keine Melodie aufweisen. Nach gut fünf Minuten kommt dann ein melodisches Synthsolo auf, das diese fremdartige Stimmung aber verstärkt. Man wähnt sich in einer anderen Welt. Der Track entwickelt sich und die beiden Musiker verstehen es eine Art musikalische Geschichte zu erzählen.

Als drittes ist dann das 3:24minütige „Changhsingian“ zu hören, das hier doch recht harmonisch und melodiös daherkommt. Weite Flächen und eine Art Flötensound die im weiteren Verlauf in Streichersounds wechseln sorgen für eine erhabene Stimmung. Dem schließt sich dann das 9:11minütige „Valley Of The Sunken Forest“ an. Dieses Stück beginnt mit experimentellen Klangformationen und wirkt recht düster. Hier bauen die Beiden vorwiegend Stimmungsbilder auf und verzichten in der ersten Hälfte auf Harmonien/Melodien. Erst dann schält sich eine Melodiefolge heraus, die leicht jazzig wirkt, aber angenehm ins Ohr geht und sich bis zum Ende hinzieht.

Harmonischer wirkt da das 5:50minütige „These Trees Are Our Homes“, das ein wenig Zuversicht vermittelt. Leicht wabernde, sich wiederholende Klangfolgen und leicht asiatische Klangmuster sorgen hier für eine angenehme Atmosphäre. Das Leben scheint nun zu erwachen, was auch durch weitere elektronische Effekte verstärkt wird.

Leicht unterkühlt zeigt sich dagegen das 5:48minütige „Ice Shell“, bei dem man Sounds wie brechendes Eis wahrnimmt. Das liegt vor allem an den kratzigen Synthiesounds. Nach gut einer Minute kommt dann aber eine leicht basslastige, rhythmische Synthie-Harmonie auf, die ein wenig später von Pianoklängen ergänzt wird. Das ist hochgradig spannend. Ein – trotz seiner einfachen Struktur – faszinierender Track.

Weiter geht es mit dem zweitlängsten Stück, dem zwölfminütigen „With The Rising Tide“. Auf einen Grundton legen die Beiden perlende, klackernde Klangmotive. Nach einer Minute kommen dann herrliche, harmonische Synthflächen auf, die eine wohlige Stimmung erzeugen. Allerdings werden diese – ähnlich dem Titeltrack – immer mal wieder von aufkommenden bizarren Klängen durchbrochen. Man hat das Gefühl als würde etwas anschwellen, wie bei einer steigenden Flut. Das führt dann bis zu einem minutenlangen, donnernden Rauschen.

Mit dem fünfminütigen „Cruising The Dark Seas“, das von herrlichen Flächen, aber auch rauschenden Synthies durchzogen ist, dem 4:27minütigen „Good-Bye To These Fields Of Gold“, das durch sanfte Klänge und einer verträumten Atmosphäre besticht und dem etwas experimentell klingenden, 5:55minütigen „Of Nightmares And Of Dreams“ endet dann das Album.

Michael Brückner und Hans-Dieter Schmidt aka Bridge To Imla nehmen den Hörer auf ihrem Album „Lost“ mit auf eine musikalische Reise in die tiefe Vergangenheit unseres Planeten mit. Brückner und Schmidt gehen dabei nicht immer harmonisch zur Sache, sondern zeichnen ein klangliches Bild dieser Zeitepoche. Man muss sich streckenweise auf die doch teils recht experimentellen Klangmotive einlassen.

Stephan Schelle, April 2021

 
   

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