Bertrand Loreau - Full Moon In Fall
 

Bertrand Loreau - Full Moon In Fall
Töfte-Mucke Records (2023)

(
7 Stücke, 73:45 Minuten Spielzeit)

Der französische Elektronikmusiker Bertrand Loreau veröffentlicht seit gut 40 Jahren seine Alben bei verschiedenen Labels. Die neueste Produktion „Full Moon In Fall“ ist bei dem Label Töfte-Mucke Records erschienen. Musikalisch bewegt sich Loreau im Stil der Berliner Schule, die von Klaus Schulze inspiriert ist, aber er hat auch viele melodische und gefühlvolle Tracks aufgenommen und wurde manchmal mit Vangelis verglichen. Er hat CDs mit Lambert (Spheric Music), einem weiteren Meister der Berliner Schule, und mit Frederic Gerchambeau (Spheric Music, Groove Unlimited), einem eher experimentellen Musiker, aufgenommen.

 

 


Bertrand Loreau über das neue Album:

Vor ein paar Jahren traf ich auf dem Synthesizer-Festival in Nantes in Frankreich einen Franzosen, Stephen, der analoge Synthesizer baut. Er sagte mir, dass er die Musik der Berliner Schule mag, die ich für das Label Spheric Music aufgenommen habe. Er fragte mich, ob ich einen seiner Synthesizer in meiner Musik verwenden könnte. Also lieh er mir ein monophones Instrument, das er „Retro One“ nennt. Ein Musikinstrument, das auf der Architektur des klassischen Minimoog basiert, mit ein paar zusätzlichen Parametern und einem Patchbay. Der Klang dieses kompakten Instruments inspirierte mich und ich nahm die Herausforderung an, eine ganze CD nur mit dem monophonen Soundmodul und einem Midi-Multitrack-Sequenzer aufzunehmen. Stephen war von der Musik sehr angetan, so dass wir beschlossen, eine kleine selbstproduzierte CDR-Serie zu produzieren, die er seinen Kunden anbieten kann. Den Kunden der NR Synth Factory gefiel die Musik und der Sound des Retro One, aber eines Tages beschloss ich, die Musik mit ein paar Sounds aus meinen anderen Keyboards anzureichern, um sie mit mehr Musikfans der Berliner Schule zu teilen. So enthält die Musik dieser CD fünf Tracks, die ursprünglich mit dem Retro One Synthesizer aufgenommen wurden (plus Ergänzungen). Zwei weitere Tracks wurden hinzugefügt, um diese Produktion komplett zu machen.

Das Album, das im Jewelcase mit vierseitigem Booklet erscheint, beginnt mit dem 21minütigen „An Evening Of Gloomy Day“. Das Stück ist in fünf Parts unterteilt, die aber nicht einzeln angewählt werden können. Der Longtrack beginnt sehr sphärisch und futuristisch, da wabert und blubbert es in den ersten Momenten, bis sich dann leicht sakral wirkende Synthchöre hinzugesellen. Nach etwa zweieinhalb Minuten kommt eine Art Rhythmus auf, der aber nur sporadisch weitergeführt wird. Das wirkt alles sehr wie ein Soundtrack. Richtig los geht es dann nach vier Minuten, wenn der Sequenzer nun schneller zu arbeiten beginnt. Das scheint dann auch Part 2 mit dem Titel „Run High Over My Head“ zu sein. Nach gut elf Minuten beruhigt sich die Szenerie dann und es kommen Flächen auf. Das ist jetzt nicht nur der Stil der „Berliner Schule“, sondern weist auch in Richtung Eindhoven. Langsam pulsierend und mit einem sanften Melodiebogen geht es dann ab Minute 15 weiter um dann flirrend und zwitschernd zu enden.

Mit 3:15 ist der nächster Track, „It Is Not A New Dream“ dann doch wesentlich kürzer. Wellenrauschen, Donnerhall und sanfte Flächen sorgen hier für eine sehr entspannte und wohlige Atmosphäre. Nach einigen Momenten kommt dann eine Melodie auf die mich - auch von der Soundstruktur - an Musiker wie Akikaze erinnern. Beim dritten Titel „Rising From The Drops Of The Rain“ ist dann auf der CD-Rückseite ein Fehler passiert. Das Stück ist nicht 3:30 sondern 13:30 Minuten lang. Auch dieser Track beginnt mit rauschendem Wasser und sanfte Flächen. Nach etwa zwei Minuten fügt Laurent dann eine sehr schöne Melodielinie hinzu, die auf einem sanft pulsierenden Rhythmus liegt. Das hat was von John Carpenter, aber doch seine ganze eigene Handschrift. Nach nicht ganz einer weiteren Minute wird der Rhythmus dann pulsierender und dynamischer. Laurent fügt weitere Sounds und Soli ein, die recht verspielt klingen, so als hätte er hier live improvisiert. Ein sehr schönes Stück, das einen aus der Realität katapultiert.

Das 6:05minütige „I Hear A Deep Sorrow“ bietet dann schwebende Klänge, die sanft und harmonisch durch den Raum ziehen. Mit Zuggeräuschen (inkl. quietschenden Bremsen) startet Laurent dann in das 13minütige „From A Train Of Emotions“. Nach wenigen Momenten kommt ein Sequenzerrhythmus auf, der den Takt vorgibt, auf den Laurent dann seine melodischen Soli legt. So fährt der Zug dann im gemächlichen Tempo dahin. Es folgend das 6:40minütige „The Morning Dew Awakes Me“ mit seiner sehr einfühlsamen, leicht melancholischen Melodie und das 10:13minütige „I Feel The Floating Heritage“, das die „Berliner Schule“ interpretiert.

Laurent Schieber hat auf seinem neuesten Album „Full Moon In Fall“ unter Verwendung des analogen Synthesizers Retro One, das von einem Franzosen gebaut wurde, herrliche Elektronikmusik in der Schnittmenge aus „Berliner Schule“ und der niederländischen Variante zusammengestellt. Das klingt alles sehr entspannt und melodiös. Wer diese Spielarten mag, der kann hier bedenkenlos zuschlagen.

Stephan Schelle, Juni 2023

 
   

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