Bernd Kistenmacher - Paradise
 

Bernd Kistenmacher - Paradise
MIRecords (2014)

(
7 Stücke, 65:37 Minuten Spielzeit)

Seit dem Jahr 2009 erlebt der Berliner Elektronikmusiker - nach einer längeren Pause, die er eingelegt hatte -  seinen zweiten Frühling. Seit dem 2009’er Comeback-Album stellt „Paradise“ das fünfte Album der Neuzeit dar („Let It Out ! + Compressed Fluid“ nicht mitgerechnet). Die Besucher des Electronic Circus-Festivals konnten sich am 04.10.2014 schon von der Klasse des neuesten Outputs des Berliner überzeugen, als er große Teile von „Paradise“ live präsentierte.

 

 


Wie auch die anderen Werke der Neuzeit, so ist auch „Paradise“ ein Konzeptalbum geworden, das zusammenhängend und in sich schlüssig ist. Die sieben Einzelstücke bilden ein komplettes Ganzes und sollten auch so gehört werden.

Bernd hatte im Jahr 2013 sein letztes Album „Utopia“ beendet und gab mit dem neuen Material einige Konzerte. Er hatte das Gefühl, dass in diesem Kontext noch nicht alle Geschichten erzählt waren und begann mit der Arbeit an „Paradise“. Ihm wurde schnell klar, wie er im Booklet schreibt, dass er zu dem vorstieß, was er mit „Utopia“ eigentlich ausdrücken wollte: was verstehen wir unter dem Paradies? Was versteht jeder einzelnen von uns darunter?

Bei der Arbeit an „Utopia“ kam Bernd der Gedanke ans Paradies, einem fiktiven Ort, der uns allen ein friedliches Dasein bescheren soll. Einem Ort der Unschuld. Das Paradies ist im biblischen Sinne ein Garten und nichts symbolisiert diesen friedlichen Ort so sehr, wie ein Wald. Ein Urwald. Wild und vollkommen sich selbst überlassen.

So spiegelt „Paradise“ auch meine persönliche Suche nach dem Paradies wider. Dies sicherlich in einer gewissen Form von innerer Zerrissenheit. Harmonie steht Verrücktheit, Melancholie experimenteller Wildheit gegenüber. Nichts ist Konstant. Alles ist Suche. Der Weg ins Paradies ist lang ...

Der vorangehende Text aus dem Booklet zeigt ganz deutlich, dass Bernd auf der CD das Paradies nicht mit lieblichen, einschmeichelnden und wohltuenden Klängen darstellt, vielmehr zeigt es einen sehr abwechslungsreichen und gereiften Musiker.

Mit Vogelgezwitscher und Donnergrollen zeigt sich zu Beginn der CD im Opener „Ghosts“ in der Tat eine Urwaldstimmung. Das klingt bedrohlich und in den ersten zwei Minuten ist von Synthies oder Harmonien noch nichts zu hören. Dann kommen Flächen und Harmoniebögen auf und Bernd entspinnt seine ganz eigene Klangwelt. Eine sanfte, beruhigende Stimmung zieht auf, die im folgenden „Born From Innocence“ in hymnische Gefilde aufsteigt. Jetzt kommt auch ein Rhythmus hinzu und Bernd schraubt seine Musik in hypnotische Gefilde, die einem die Sinne rauben. Das ist Bernd Kistenmacher at it’s best. Das ist monumentale Musik im Soundtrackgewand. Im Mittelteil des 16minütigen Stückes kommen dann noch treibende Rhythmen auf, die afrikanischen Ursprungs zu sein scheinen.

„Devastating Destruction“ schwebt mit sanften Flächen durch den Raum, während sich das zwölfminütige „Raindance“ von einer rhythmischen, stoisch dahin treibenden Seite zeigt. „Distant Danger“ zeigt sich mit treibenden Sequenzerrhythmen im Stile früherer Tangerine Dream, ergänzt durch weitere Elemente. Das Stück „Everlasting Magic“ glänzt durch unter die Haut gehende Melodien und Sounds. Mit dem ebenfalls hymnischen „Belt Of Forests“ endet die CD.

Mit „Paradise“ ist dem Berliner Elektronikmusiker Bernd Kistenmacher wieder ein außergewöhnliches und fesselndes Werk gelungen. Dieses Werk hat gute Chancen beim Schallwelle-Preis groß abzuräumen. Ein tolles Album.

Stephan Schelle, Dezember 2014

 
   

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