Bernd Kistenmacher – Celestial Movements
 

Bernd Kistenmacher – Celestial Movements
MellowJet Records (2009)
(6 Stücke, 68:00 Minuten Spielzeit)

Glatte acht Jahre sind vergangen, seit der Berliner Elektronikmusiker Bernd Kistenmacher sein letztes Album veröffentlichte. Es kam 2001 heraus, hieß „Un Viaggio Attraverso L’Italia“ und dokumentierte Bernd’s Liveauftritt, den er im Jahr zuvor in Bologna bestritten hatte. Lange Zeit war Bernd nicht aktiv und es war eigentlich auch länger nicht mehr mit einem musikalischen Lebenszeichen von ihm zu rechnen. Doch im November erscheint nun sein mittlerweile 21. Solo-Album bei MellowJet Records. Es trägt den Titel „Celestial Movements“.

 


Bernd hat sich bei der Musik zu diesem Album vom gigantischen und zugleich fantastischen Horizont-Observatorium im Landschaftspark Hoheward, das im Ruhgebiet liegt und durch seine Ringförmige Skulptur beeindruckt, inspirieren lassen. Das Cover des Albums ziert im Übrigen einen Teil dieses Observatoriums, das man sogar von der Autobahn aus sehen kann. Bernd hat auf dem Album, passend zum internationalen astronomischen Jahr, das wir in 2009 begehen, einen wahrhaft mitreißenden Soundtrack für die Sterne geschrieben.

Auf seinen Alben zelebrierte Bernd immer die „Berliner Schule“ in einer Art und Weise, wie sie doch recht nahe an Klaus Schulze’s Musik heranreicht. Nun war ich sehr gespannt, ob Bernd in den letzten Jahren an seinem Stil festgehalten hat, oder ob er Einflüsse anderer Musiker/Musikrichtungen oder auch die Möglichkeiten neuer Klangtechniken in sein Werk hat einfließen lassen.

Vorweg sei hier schon mal erwähnt, dass Bernd es geschafft hat, mich zu überraschen, denn die Musik auf diesem 68 Minuten langen Album hat mich wirklich mitgenommen. Bernd scheint eine Reise durch die Sternengalaxien in neue musikalische Klangbilder umgewandelt zu haben, die mich tatsächlich in die Weiten des Alls mitnehmen. Los geht es mit dem fünfminütigen „The Beginning“, bei dem Bernd sehr spacelastig vorgeht und Klänge zaubert, die mich sofort an den Stanley Kubrick Film „2001 – Odyssee im Weltraum“ denken lassen. Eine dumpfe Hintergrundsynthiefläche bildet den Boden auf dem sich einige Harmonielinien und Synthiechöre ausbreiten. Das wirkt schwebend und majestätisch. Ein toller, aber noch recht verhaltener Einstieg in das neue Album.

Nach einem leiser werdenden Rauschen, so als würde sich ein Brenner einer Rakete entfernen, folgt „In The Face Of Saturn“ mit pulsierenden, sich nach Herzschlägen anhörenden Rhythmen. Darauf wird etwas experimentell der Synthie mit teils schrägen Klängen gelegt. Im ersten Moment denke ich, „Oh Gott, jetzt fängt Bernd an auf Experimentell zu machen“, doch dieser Gedanke ist nach wenigen Momenten verflogen, wenn nach ca. zwei Minuten dieses zwölfminütigen Opus sich weite Klangflächen öffnen und mit einer Art von exotischen Tiergeräuschen gemischt wird. Ich habe nun das Gefühl auf einem fremden, bewohnten Planeten zu verweilen und die Fauna und Flora zu bewundern. Ein Rhythmus kommt langsam auf und was jetzt an Melodie und Sound aus den Boxen kommt, schiebt meine Haare in die Höhe. Ein Sound, der aus Kistenmacher, Enigma und anderen gemixt zu sein scheint, lässt mich hypnotisch vor den Boxen verharren. Die Melodie, die er da in den Track eingebaut hat, setzt sich sofort bei mir im Gehörgang fest. Das hätte ich niemals von Bernd erwartet.

„Colliding Stars“ beginnt wieder sehr flächig und schwebend und diese Leichtigkeit, in die sich auch eine gewisse Wehmut einfügt, lässt meine Gedanken fliegen. Diesen Track könnte ich mir auch gut als Untermalung in einem Film vorstellen, egal ob nun Spaceopera oder Historienfilm. Im späteren Verlauf dieses mehr als 17minütigen Tracks kommen dann aber wieder etwas Trompetenhafte Klänge zum Vorschein und der Track hat etwas von Kistenmachers typischen Stil (vor allem der getragene Rhythmus). Langsam entwickelt sich dieser Longtrack in bester „Berliner Schule“-Manier weiter.

Glockenschläge eröffnen „Eternal Lights“, das zunächst nur durch einen hohen Synthieton, der sich noch dezent im Hintergrund hält, begleitet wird. Dann setzt eine romantische Melodielinie ein (so ähnlich wie beim Film „Black Rain“ – an den ich spontan denken muss). Der Sound ist wieder unter die Haut gehend. Ca. in der Hälfte des Stückes flechtet Bernd dann noch Chöre in seinen Track ein, die dem Ganzen eine symphonische Note verleihen.

In „Living Between Asteroids“ geht es zunächst mit einer Art Kirchenorgel los. Man hat wirklich das Gefühl in der Kirche zu sitzen, doch dieser Schein trügt, denn nach ungefähr einer halben Minuten lässt Bernd einen unwiderstehlichen Rhythmus auf den Hörer los und präsentiert einen fast tanzbaren Track mit einer herrlichen Melodieführung. Im weiteren Verlauf scheint sich Bernd gar in Ekstase zu spielen, zumindest scheint es sich so anzuhören. Nach etwas mehr als der Hälfte dieses fast 20minütigen Longtracks wird es dann etwas gemächlicher, aber nicht minder hypnotisch, um zum Ende hin wieder an der Rhythmusschraube zu drehen und danach wieder mit Kirchenorgel auszuklingen.

Den kürzesten Track „Celestial Move“ mit gerade mal 3:22 Minuten hat Bernd ans Ende gesetzt. Hier geht es, in einem vom Piano getragenen Stück, recht melancholisch zu und man ist in einer Stimmung der Trauer, darüber, das diese CD bereits ihr Ende findet. Mit diesem Gefühl geht es sofort wieder an den Repeat-Knopf des CD-Players.

Wer die x’te Auflage von Bernds typischem Stil erwartet hat, der wird freudig überrascht, wenn er die neue Scheibe „Celestial Movements“ hört. Für meinen Geschmack hat er sich selbst übertroffen und sein bisher bestes und abwechslungsreichstes Werk herausgebracht. Freunde guter Elektronikmusik sollten hier unbedingt zugreifen.

Stephan Schelle, Oktober 2009

 
   

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