Back To The Moon - Streetview
 

Back To The Moon - Streetview
MellowJet Records (2010)
(10 Stücke, 56:41 Minuten Spielzeit)

BackTo The Moon nennt der Bremer Keyboarder und Gitarrist Jürgen Drogies sein Projekt mit dem er elektronische Musik veröffentlicht. Nach dem 2007’er Album „Dreamcatcher“ hat Jürgen das Label gewechselt und bringt Anfang 2010 sein Nachfolgealbum „Streetview“ als CDR im Amaray-Case heraus. Thematisch geht es, wie es der Titel schon ansatzweise verrät, um die totale Überwachung, die ja bereits ansatzweise zu spüren ist. Nicht umsonst finden Diskussionen über gesetzliche Regelungen zum Abhören von Telefonaten, dem Sichten von gespeicherten Daten auf privaten Rechnern oder Kameraüberwachung von Personal oder öffentlichen Plätzen statt. Nicht zu vernachlässigen die Methode so mancher Gewerbetreibenden, die mit ihren Karten- oder Internetsystemen systematisch das Kundenverhalten analysieren.

 


Eine Kamera überwacht den Geldautomaten und soll Räuber abschrecken. Aber auch in Supermärkten, auf öffentlichen Plätzen, sogar in Bussen und Bahnen wird gefilmt und aufgezeichnet. Die Vision einer totalen Überwachung aus George Orwell's Roman „1984“ ist Jahrzehnte später auf subtilere Weise Wirklichkeit geworden. Ob Mobiltelefon, GPS oder Satelliten - überall gilt: „Big Brother is watching you“.

Als ich den ersten Hördurchgang machte, konnten mich die ersten Stücke von „Streetview“ allerdings noch nicht überzeugen. Ich war zunächst etwas enttäuscht, ließ die CD aber durchlaufen, was sich als richtig herausstellte, denn der erste Eindruck täuschte. Aber der Reihe nach.

Los geht es mit dem ironischen Titel „Wave And Smile“. Electronics, Gitarre und eine durch Vocoder verfremdete Stimme sind in diesem Stück zu hören. Wer „Dreamcatcher“ kennt, dem sei gesagt, dass hier der Stil des Albums fortgeführt wird. Die anfänglich simple Melodie wird im späteren Verlauf durch eine straighte Gitarre unterstützt.

„Satellite“ ist ein Stück, dass sich unter anderem an der 90’er Phase von Tangerine Dream orientiert. Das ist ganz nett, haut mich aber noch nicht wirklich vom Hocker, obwohl hier wieder die E-Gitarre einige sehr schöne Momente hat. Eine Vocoderstimme eröffnet den Track „Behind Your Back“, das durch Saxophon und unterschiedliche Sounds einen gewissen smoothigen Bandcharakter aufweist. Irgendwie stelle ich mir bei diesem Song eine schummrige Ecke in einer Bar vor. Doch dann kommt dieser ungewöhnliche Rhythmus (hat auch etwas lateinamerikanisches / orientalischen), das passt irgendwie nicht wirklich zusammen. Dieser Track ist meines Erachtens der schwächste des Albums.

Mit „Blue Desert“ zeigt die Qualitätskurve dann aber steil nach oben. Dieses Stück hat eine Atmosphäre von Wüstenrock, denn der Rhythmus klingt wie Grillengezirpe und die E-Gitarre ist so schön, dass eine weite Wüsteneinöde vor dem Auge entsteht. Diese Stimmung ergänzt Jürgen noch mit diversen Perkussions, Pianoeinsprängsel und Schiller-Artigen Synthiesounds. Dieser Track hat auf mich eine absolut faszinierende Wirkung.

Ein Rauschen weist in den nächsten Track „The Wind“ ein, das Jürgen ebenfalls mit einer tollen – im amerikanischen Stil gespielten – E-Gitarre verfeinert. Immer wenn Jürgen diese etwas rockigen Parts in seine Stücke einbaut, dann gefällt mir seine Musik am besten. Neben den Instrumentierungen singt Jürgen auch noch einen Part, der für Elektronikmusik etwas ungewöhnlich ist, aber sehr gut zu dem Track passt. Mit dieser Mischung pendelt Jürgen mit Back To The Moon zwischen traditioneller Elektronik und atmosphärischem Rock.

Elektronischer mit herrlichen Flächen, Flötensounds, Wasserrauschen und einer Akustikgitarre geht es im ambienten „The Circle“ zu, das mir aufgrund seiner ruhigen Atmosphäre sehr gut gefällt. Doch schon in „Restless Heart“ kombiniert Jürgen wieder diese tolle E-Gitarre mit elektronischen Tunes und teils treibenden Rhythmen und führt den Track fast zu einem Rock-Pop-Stück.

Der Rhythmus in „What’s Your Name?“ erinnert mich zunächst an OMD, doch dieser Hauch an Erinnerung wird von Jürgen schnell verweht. Irgendwie klingt der Song etwas wavig / electropop-mäßig, was auch durch Jürgens Gesang hervorgerufen wird. Ein stampfender Rhythmus mit einer rockig straighten Gitarre sind die Bestandteile von „Born Again“, das mich an gute alte Rockmusik aus den 70’er erinnert. Hier sind auch die diversen Sololinien zu nennen, die Jürgen an den Gitarren bietet und die später durch Keyboards ersetzt werden. Mit dem Titelstück endet die CD in einem Mix aus Elektronik, Pop, Jazz und Straßengeräuschen.

Insgesamt täuschte der erste Eindruck. Man sollte die CD nicht vorschnell aus den Händen bzw. dem Player nehmen. Ab Track Nummer vier steigert sich die Qualität der Stücke. Vor allem wenn Jürgen eine rockige Gitarre zum Besten gibt, gefallen mir die Stücke sehr gut. Man sollte die CD unbedingt antesten, auch wenn man kein reiner Elektronikfan ist.

Stephan Schelle, Februar 2010

 
   

CD-Kritiken-Menue