Brainwork - Back To Future
 

Brainwork - Back To Future
2003, CUE-Records LC 6479

Uwe Saher alias Brainwork ist wieder da. Nach gut sechs Jahren Sendepause, das letzte Brainwork-Album stammt aus dem Jahr 1997, ist Uwe endlich wieder mit einer neuen Produktion am Start. Neben Brainwork hatte sich Uwe auch auf dem Dancesektor unter der Bezeichnung Element 4 zu etablieren versucht. Doch auch mit diesem Projekt, dessen letzte CD im Jahr 1999 erschien, war es in letzter Zeit ruhig geworden.

Das neue Album Back To Future soll quasi eine neue Aufbruchstimmung verheißen. Ich interpretiere es mal als Startschuss für neue Energie und weitere Veröffentlichungen, die wir hoffentlich von Uwe in den nächsten Jahren noch erwarten können. Seine bis dato sechs Studioalben und zwei LiveCDs zeigten die ganze Bandbreite, die Uwe in der Elektronikmusik beherrscht. Über die Jahre hat er sich einen eigenen Sound angeeignet und durch Stücke, die er großen Musikern wie z. B. Chris Franke, Vangelis oder The Orb gewidmet hat, bewiesen, dass er alle Stilarten der Elektronikmusik drauf hat. Ein weiteres Markenzeichen seiner Veröffentlichungen war der glasklare, messerscharfe Sound, den er auf seine Silberlinge zauberte. Auch diese CD weist wieder einen sehr druckvollen Sound aus. Er kommt glasklar aus den Boxen geschossen. 
 

 

 

Widmen wir uns aber nun seinem neuesten Werk. Auf über 76 Minuten Spielzeit bringt es die neue CD. Auf ihr finden wir sechs neue Kompositionen sowie einen Remix, für den sein langjähriger Freund Frank Niessen verantwortlich ist.

Uwe schreibt selbst in dem Booklet, dass seine Musik eine Mischung aus Sequenzen, die an die Berliner Schule erinnern, und Rhythmen im Drum ’n Bass-Stil darstellt. Unter anderem kreiert er für seine Musik den Begriff Berlin Bass. Unter dieser Bezeichnung war bereits Mitte 2000 ein Track zum Download auf seiner Homepage www.brainwork.net hinterlegt. Dieser Track ist unter dem Titel Back To Future auf der CD enthalten.

Mit seiner Definition seiner Musik liegt er nicht verkehrt, denn vieles in den Stücken erinnert an die guten alten und vor allem schnellen Sequenzerpassagen, die Tangerine Dream Ende der 70’er, Anfang der 80’er auszeichnete. Gepaart ist das Ganze mit einer gehörigen Prise an Rhythmus.

Die Laufzeiten der einzelnen Stücke liegen zwischen 5:41 und 16:25 Minuten. Gleich Track eins 4am Machines beginnt mit sehr schnellen Sequnezerläufen auf die eingangs Harmonien gelegt sind. Nach gut einer Minute legt die Drummachine los. Aber keine Angst hier wird kein Techno zelebriert, vielmehr handelt es sich um einen flotten, rhythmischen Track mit den schon vorgenannten Berliner Schule Sequenzen im typischen Brainwork-Stil. Die Sequenzerloops und der Rhythmus bleiben nahezu gleich und werden durch unterschiedliche Variationen von Harmonien und Drumsequenzen verändert. So entwickelt sich der Titel langsam aber stetig.

Ähnliches wie für den Eingangstitel gilt auch für die weiteren Stücke der CD. Der Track Back To Future lässt für mich unweigerlich einen Titel von Tangerine Dream Anfang der 80’er durch meinen Schädel brausen. Der Sequenzerlauf wird in diesem Stück lang ausgebreitet und hämmert sich förmlich in den Schädel ein. Nach mehr als einer Minute kommen dann weitere Sequenzen und Flächen hinzu, die mich rhythmisch geistig dahin treiben lassen, während mein Fleisch unweigerlich in Bewegung bleiben muss. Hier ist headbangen für Elektroniker angesagt.

Das Stück Sanddunes beginnt in dem typischen Brainwork-Stil mit seinen glasklaren Synthieloops bei dem nach einiger Zeit auch der Drumsequenzen einsetzen, diesmal aber nicht so heftig wie zuvor. Wenn man genau hinhört, meint man eine gewisse Melodielinie von Kraftwerks Model herauszuhören, aber das Stück bietet absolut eigenständiges. Hier knüpft er nahtlos an seine bisherigen Veröffentlichungen an. Ein Stück das Spass macht.

Track vier Transponder bietet gleich zu Beginn wieder stakkatoartige Sequenzerläufe, die sich anfangs nur sehr zögerlich verändern. Eine weitere Sequenz zieht auf und dann kommt wieder die Drummachine. Das Thema wird in unterschiedlichen Tonlagen und einem sich immer leicht verändertem Drumprogramming über zwölf Minuten variiert. Dieser Track ist für meinen Geschmack etwas zu lang geraten.

Der nächste Titel Offbeats ist etwas funkig. Aber auch hier herrschen die schnellen Beats und Sequenzen vor. Im vorletzten Titel Back To The Sea paaren sich die typischen Brainwork Flächen mit E-Gitarrensounds und den flotten Rhythmussequenzen. Die Gitarrensounds sind wirklich gut gespielt.

Zum Schluss gibt es dann noch einen Remix des ersten Tracks 4am Machines. Erst beginnt der Track, wie man ihn nach den ersten Stücken des Albums erwartet, doch nach sechs Sekunden ertönt eine russische Stimme und der Sound wird verlangsamt, so als wollte man ihn anhalten. Es folgen Geräusche wie von einem Bahnhof und dann ertönt es Clubmäßig aus den Boxen. Eine Computerstimme, wie sie bei Kraftwerk schon oft zu hören war, ertönt zu houseartigen Klängen. Dieser Mix, der vor allem durch die Geräusch- und Sprachsamples lebt, hat nur wenig vom Original (was ja bei Mixen auch so sein sollte). Das Stück ist eher ungewöhnlich und als Zugabe ganz nett, haut mich aber nicht vom Sofa.

Uwe hat mit seinem neuen Werk eine sehr Energiegeladene Scheibe abgeliefert, die den Flair der 70’er / 80’er Jahre einfängt und mit modernem Sound und messerscharfen Rhythmen verbindet. Für meinen Geschmack hat er wieder eine klasse CD produziert. Man kann klar erkennen, das Uwe es nicht verlernt hat ausgefeilte und klanglich hervorragende Tracks zu komponieren. Eigentlich frage ich mich nur, warum hat das so lange gedauert? Aber gönnen wir ihm diese „Auszeit“ in der Hoffnung, nicht wieder sechs Jahre bis zur nächsten Veröffentlichung warten zu müssen.

Stephan Schelle, Oktober 2003 

 
   

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