Alien Nature – Station Platforms
 

Alien Nature – Station Platforms
SynGate (2011)
(7 Stücke, 75:03 Minuten Spielzeit)

Wolfgang Barkowski, alias Alien Nature, hatte zuletzt im Jahr 2010 mit seinem Album „Massive“ und als Kollaboration mit Torsten Abel aka TMA auf dem Album „Hydra“ ein Lebenszeichen abgegeben. Während er mit Torsten ins All schweifte, widmete er sich auf „Massive“ dem Thema Schwerindustrie im Ruhrgebiet, seiner Heimat. Ganz so weit weg ist er mit seinem neuen Album „Station Platforms“ davon nicht, geht es doch um Bahnhöfe.

 


Wolfgang hat sich bei der Musik von seinen Bahnfahrten zur Arbeit und wieder zurück inspirieren lassen. So ist es nicht verwunderlich, dass er auch einige Samples, die auf Bahnhöfen aufgenommen wurden, in seine Musik gewoben hat. Dabei sind es nicht nur Samples von deutschen Bahnhöfen, nein auch aus Amerika stammen einige Klänge.

Sieben Stücke zwischen 6:29 und 14:34 Minuten Länge finden sich auf der randvollen CDR, die bei SynGate herausgekommen ist. Nicht alle Stücke hat Wolfgang allein eingespielt, so sind die beiden Tracks „Abandoned“ und „The Transmission“ zum Beispiel mit Hajo Liese entstanden und auf „The Transmission“ sitzt darüber hinaus mit Tuve von Bremen ein Schlagzeuger hinter der Rhythmusmaschine, der ansonsten auch in einer Bigband trommelt.

Komponiert wurden die Stücke von Wolfgang in der Zeit zwischen Ende 2010 und Mitte 2011. Der erste Track „Ice Train“ ist, wie der Name schon vermuten lässt, in der Zeit des harten Winters entstanden. Hier spiegeln sich Wolfgang's Eindrücke, der damals vorherrschenden Schneemassen, die zu zahlreichen Verspätungen führten, wider. Den Beginn macht eine Stationsansage, mit der man sich gut auf das Thema einstimmen kann. Der Schaffner ruft „Einsteigen bitte und Türen schließen“, die Türen knallen zu, die Trillerpfeife erklingt, der Zug rollt an und in diese Klänge des startenden Zuges mischt Wolfgang seine Synthiesounds. Man hat das Gefühl in einem fahrenden Zug zu sitzen, der stetig seinem Ziel entgegenrast um die Verspätung aufzuholen. Das Ganze präsentiert Wolfgang in seinen typischen dunklen Synthiesounds, garniert mit treibenden Rhythmen.

Die Brücke zum nächsten Track „Central Station Nowhere“ stellt eine Ansage eines amerikanischen Sprechers, die auf einem amerikanischen Bahnhof aufgenommen wurde, dar. In diesem 14minütigen Track, geht es zunächst schwebend los. Allerdings ist hier nicht etwa ein amerikanischer Bahnhof das Thema, sondern der Duisburger Hauptbahnhof. Wolfgang schreibt dazu „... wenn du deinen Fuß da reingesetzt hast, weißt du, warum der Track so und nicht anders klingt.“ Mit seinen Sounds eröffnet Wolfgang weite Räume und so wirkt er trotz der aufkommenden Sequenzen sehr erhaben und voluminös. Es wirkt, als würde eine große Domartige Halle musikalisch beschrieben. Ein toller Track, der, je länger er andauert, an Rhythmus und Druck gewinnt.

Die nächste Ansage leitet dann in den Track „Abandoned“ über. Der Track  ist in einer Session zusammen mit Hajo Liese entstanden. Er fügt sich auch dank der thematischen Ansagen sehr gut ins Gesamtbild der CD ein. Hier kommt eine Spur „Berliner Schule“ aus den Boxen geflogen. Durch die Sounds kann man sich aber auch hier gut eine Eisenbahnfahrt vorstellen und sieht förmlich die Landschaften vor dem geistigen Auge dahinfliegen. Wolfgang hatte dabei verlassene Gleise und tote Strecken im Kopf, während an meinem geistigen Auge blühende Landschaften vorbeiziehen.

Weiter geht es mit „Share My Wheels“. Wie schon der Track zuvor, gehört auch dieser zu den „helleren“ und eingängigeren des Albums. Das Stück hat Wolfgang auch schon bei seinen Liveperformances zusammen mit Torsten Abel (TMA) gespielt. Es ist wohl der positivste Track des Albums und ich hab auch hier das Gefühl einer Zugfahrt, dieses Mal geht es aber durch sonnendurchtränkte Landschaften wie zum Beispiel durchs Rheintal.

Mit „Traffic At 5:52 am“ kommt dann das längste Stück des Albums. Was für eine unchristliche Zeit möchte man meinen und so beginnt der Track auch zunächst recht sphärisch und gemächlich. So fühle ich mich morgens um diese Uhrzeit, wenn ich kurz vor dem Aufstehen bin. Langsam entwickelt sich ein ungewöhnlicher Rhythmus, der aus meiner Sicht einen asiatischen Touch hat. Irgendwie scheinen die Gedanken um diese Uhrzeit noch ein wenig durcheinander und das vermittelt der Track auch mir, selbst wenn er sehr harmonisch angelegt ist und mir vor allem durch seinen Strukturwechsel gut gefällt.

Wieder mit recht „Berliner Schule“ mäßigem Flair präsentiert sich „The Transmission“, eine Kollaboration mit Hajo Liese. Auf die Aufnahme hat dann zu einem späteren Zeitpunkt Tuve von Bremen seine Drums und Perkussion gesetzt. Diese sind es vor allem, die dem Stück eine besondere und organische Note verleihen. Sobald er einsetzt  und sich das synthetische Klangbild verändert, entwickelt sich ein unglaublich hypnotischer Track.

Den Abschluss bildet dann das fast 13minütige „Der Gast wartet“. Der Gast wartet worauf wohl? Das der ICE mal nicht zwei Stunden zu spät kommt (standard!) oder auf die brechend volle RB soundso, deren Türen kaum auf zu bekommen sind, oder ähnliches... Auch wenn der Track recht düster und zunächst noch langsam daherkommt (später wird es rhythmischer), so macht das Warten mit derartiger Musik doch Spaß.

Wolfgang Barkowski ist mit „Station Platforms“ ein gutes Nachfolgealbum zu „„Massive“ gelungen. Wer seine bisherigen Werke mochte, der kann hier bedenkenlos zugreifen. Alle anderen sollten in jedem Fall ein Ohr riskieren.

Stephan Schelle, November 2011

 
   

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