Wie ein Fremder - Eine deutsche Popmiusik-Geschichte
Mindjazz Pictures / Pausefilm / AL!VE (2020)

(231 Minuten Spielzeit)

Es ist mir ein besonderes Bedürfnis an dieser Stelle einen Dokumentarfilm vorzustellen, der in beeindruckender Art und Weise das Musikbusiness widerspiegelt und die Schwierigkeit mit guter Musik in Deutschland erfolgreich zu sein. Der Dokumentarfilm wurde von dem deutschen Filmemacher Aljoscha Pause gedreht und ist sowohl auf DVD/BluRay als auch digital erhältlich.

Aljoscha Pause, der zuvor einige Dokumentarfilme im Sportbereich gedreht hat, darunter „Inside Borussia Dortmund“, „Being Mario Götze“, „Tom Meets Zizou“ und „TRAINER!“, hat in einer Langzeitstudie von sechs Jahren den deutschen Musiker Roland Meyer de Voltaire mit der Kamera begleitet. Roland Meyer de Voltaire ist mir erstmals bei der letzten Schillerproduktion „Morgenstund“ aufgefallen, wo er unter dem Namen Schwarz die Titel „Avalanche“ und „New Day“ gesungen hat. Ich sah ihn dann beim 2019’er Electronic Circus Festival in Detmold, wo er ein beeindruckendes Konzert gespielt hat.

Der Film „Wie ein Fremder“ – er trägt den Untertitel „Eine deutsche Popmusik-Geschichte“ - rollt die musikalische Entwicklung von Roland Meyer de Voltaire von den ersten Gehversuchen des Musikers auf und zeigt, wie schwer es für einen Künstler, der sich nicht dem Mainstream unterwirft und sein eigenes Ding macht, in der heutigen Zeit ist, Erfolg zu haben. Das gilt auch dann wenn wie in Roland’s Fall Kritiker und Musikverantwortliche von der Qualität der Musik überzeugt sind. Heute findet leider nur noch vorwiegend „musikalischer Einheitsbrei“ in die Charts.

Der Film zeigt, wie Roland mit seiner Band Voltaire, die er im Jahr 2003 gründete, komplett scheiterte, obwohl die Presse die Band als neuen Hoffnungsträger der deutschen Rock-/Popmusik sah. Dies führte dazu, dass nach zwei Alben bei einem Majorlabel und dem ausbleibendem Erfolg die Band 2011 aufgelöst wurde. Im Rahmen der Dokumentation ist das 2006’er Album „Heute ist jeder Tag“ wiederveröffentlicht worden, das ich wärmstens empfehlen kann. Hier zeigt sich wie Roland mit seiner Band poetische Texte mit grandiosen Melodien gepaart hat. Vor allem Roland’s Stimme bestimmt die Songs mit einer unglaublichen Intensität und Bandbreite. Dies ist auch in der Doku zu sehen und zu hören. Wer den Film sieht, der versteht es nicht, dass diese Band keinen Erfolg hatte. Das beweist aber mal wieder, dass viele Menschen heute Musik am liebsten umsonst aus dem Netz ziehen, anstatt die Künstler mit Plattenkäufen für ihre Arbeit zu belohnen. So bleiben zahlreiche gute Musiker auf der Strecke.

Nach Auflösung von Voltaire unterzog sich Roland einer drastischen Veränderung und zog von Köln – aus der sicheren Umgebung seiner Familie – nach Berlin, wo er ohne festen Wohnsitz einen Neubeginn starten wollte, um sich neu zu definieren. Er reiste mit kleinem Gepäck – natürlich mit seinen Instrumenten – nach Berlin und konnte zunächst einige Wochen bei Bekannten einziehen. So zog er mehrfach in Berlin um und lernte zahlreiche Menschen kennen, die ihm unter anderem auch bei seiner weiteren Entwicklung geholfen haben.

Sehr spartanisch lebte/lebt er, ohne oft zu wissen, wie es sowohl musikalisch wie auch finanziell weitergehen kann. Er blieb sich aber immer treu und startete dann als Schwarz noch einmal durch. Das Ergebnis ist auf dem 2019’er Album „White Room“, das in 2020 mit Bonustiteln als „The Complete White Room“ noch einmal herausgekommen ist, dokumentiert. Die Musik darauf bewegt sich im weitesten Sinne im englischsprachigen Electropop. Der Film zeigt aber auch die Entstehung einiger Songs, bei denen Roland zunächst auch an der Gitarre sowie mit einer Pianistin und einer Violinistin die Songs interpretiert hat. Darin zeigt sich die Substanz, die sich in seinen Stücken verbirgt.

Aljoscha Pause zeigt Roland bei einigen Auftritten sowohl mit Voltaire, als auch mit Schwarz und lässt nicht nur Roland, sondern auch seine Eltern, seine Mitmusiker, Journalisten wie Joachim Hentschel (E-Stellv. Chefredakteur des ROLLING STONE), Ingo Schmoll (deutscher Hörfunk- und Fernsehmoderator, Musiker, Regisseur und Produzent) sowie Wegbegleiter aus der Musikbranche wie Matthias „Botsch“ Böttcher (Leiter Vertriebsmarketing 2003-2008 UNIVERSAL MUSIC), Robert Eysoldt (Director TV 2003 – 2006 UNIVERSAL MUSIC), Oliver „Whitey“ Weiskopf (Co-Produzent VOLTAIRE) oder Christoph „Kiko“ Masbaum (Mischer / Produzent u.a. Unheilig, Roger Cicero) und Künstler wie Christopher von Deylen (Schiller), Madsen oder Megaloh zu Wort kommen. Sie alle zeichnen ein sehr deutliches Bild von dem Musiker und seinem Schicksal.

Der Film zeigt in eindrucksvollen Bildern und in einer sehr feinfühligen Art und Weise, mit welcher Willenskraft Roland Meyer de Voltaire versucht seinen Traum zu verwirklichen, Musik zu machen und davon zu leben. Der Zuschauer spürt das Roland für die Musik lebt. Man ist vom ersten Moment an gefangen von dem Menschen und seinem Traum. Die in fünf Teile unterteilte Dokumentation hat hohes Suchtpotenzial und man kann nicht aufhören die Geschichte dieses sympathischen Musikers bis zum Ende des Filmes zu verfolgen. Ich wünsche Roland Meyer de Voltaire viel Glück und dass er endlich die Anerkennung bekommt, die er verdient. Diese Doku muss man gesehen haben.

Stephan Schelle, August 2020


 
 

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