Roger Waters – Us + Them
Sony Music (2020)

(23 Stück, 119:26 Minuten Spielzeit + 
28:26 Minuten Bonusmaterial)

Am 02.10.2020 erscheint der Konzertfilm „Us + Them“ von Roger Waters, den er zusammen mit Sean Evans erstellt hat. Der Film zeigt eine zweistündige Konzertaufnahme aus Amsterdam, die während der Europatournee in den Jahren 2017 und 2018 mitgeschnitten wurde. Der Konzertmitschnitt erscheint in unterschiedlichen Formaten (Blu-ray, DVD, 2CD und digital – letzteres über sonypictures.com). Mir lag zur Besprechung die Blu-ray-Fassung vor, die in einem vierseitigen, hochformatigen Papersleeve inkl. achtseitigem Booklet mit Linernotes von Kory Grow verpackt ist.

Für die Europatournee, die 2017 und 2018 unter dem gleichen Titel durchgeführt wurde, hatte Roger Waters sich folgende Begleitband zusammengestellt: 


Dave Kilminster (Gitarren), Bo Koster (Keyboards), Jon Carin (Keyboards, Gitarren), Lucius – Jess Wolfe & Holly Laessig (Gesang), Ian Ritchie (Saxophon), Gus Seyffert (Gitarren, Bass), Jonathan Wilson (Gitarren, Gesang) und Joey Waronker (Schlagzeug).

Der Aufkleber auf dem Cover verspricht „A Night of Statement, Defiance, Protest & Love“. Und wer Roger Waters kennt, der weiß, dass der Mann Kante zeigt und seine Meinung klar äußert, so auch durch seine Texte und Filme/Grafiken, die seine Stücke bildlich untermauern.

Roger Waters ist Gründungsmitglied von Pink Floyd und war über einen langen Zeitraum die treibende Kraft in der Band. Daneben war er auch mit seinen Solowerken erfolgreich. Für seine 2017-2018’er Tour, die er mit „Us + Them“ betitelte, hatte er eine Setlist zusammengestellt, die aus Stücken der Pink Floyd-Alben Alben „The Dark Side Of The Moon“, „Wish You Were Here“, „Animals“, „The Wall“ sowie aus Tracks seines letzten Soloalbums „Is This The Life We Really Want?“ bestand. Die energiegeladenen Songs behandeln die Themen, die ihm schon immer besonders am Herzen lagen: die Wahrung der Menschenrechte, Freiheit und Liebe.

Die filmische Dokumentation der Tour, die den Fan das Konzertgeschehen hautnah miterleben lässt, entstand unter der Regie von Sean Evans und Roger Waters. Evans nutzte für die Produktion das modernste digitale Equipment und die beste verfügbare Audiotechnik und so werden die Shows mit ihrer atemberaubenden Bühnenshow und ihrem perfekten Sound zu einer emotionalen und anspruchsvollen musikalischen Reise durch die Bild- und Klangwelten von Pink Floyd.

Waters demonstriert eindrücklich, dass er im Herzen ein musikalischer Aktivist und einer der leidenschaftlichsten Kommentatoren des aktuellen politischen Geschehens ist. Er hat sein Leben dem Kampf gegen die Kräfte gewidmet, die unser Leben kontrollieren und unseren Planeten zerstören wollen. „Welcome To The Machine“ und „Another Brick In The Wall Part II“ rufen uns Waters’ Warnungen in Erinnerung, die er schon vor Jahrzehnten zu Themen wie Entfremdung, Entwurzelung, Gier, Leid, Zerstörung und Verlust aussprach. Aber Waters hat die Hoffnung in die Menschheit nicht aufgegeben. Das wird besonders im Song „Wish You Were Here“ deutlich, in dem er ein finsteres Bild vom Zustand unserer Welt entwirft, uns aber mit der Botschaft zurücklässt, dass Einigkeit und Liebe Rettung bedeuten können.

Schon die ersten Bilder des Konzertfilms machen deutlich, dass den Zuschauer vor dem Bildschirm – wie auch den Besuchern bei den Konzerten – ein bildgewaltiges Ereignis erwartet(e). Man hat mit dem Konzertfilm gegenüber dem Livepublikum allerdings einen Vorteil. Aufgrund der riesigen Leinwand gingen die Musiker auf der Bühne unter, da sie dagegen recht klein wirkten. Im Film sorgen die Nahaufnahmen dafür, dass man sie und ihr Wirken nun gut erkennen kann.

Im Intro, das eine Filmsequenz zeigt, sitzt eine Person mit dem Rücken zur Kamera gewandt auf einer Düne während sich der Himmel langsam verdunkelt und ein Unwetter aufzieht. Vom Meer ist allerdings nichts zu sehen. Dann kommen Klänge wie Donnergrollen, Gewehrsalven, Kanonenschläge und weinende Kinder auf. Darauf folgt noch ein Kommentar von Roger, der dann in den ersten Song „Breathe“ übergeht. Jetzt ist auch die Halle zu sehen und man erkennt, dass Roger mit Band vor einer riesigen Leinwand agierte, die von eindrucksvollen Bildern gekennzeichnet war.

Roger präsentierte bei den Shows eine Kombination aus monumentalen Bildern und voluminösen, teils neu arrangierten Songs („One Of These Days“ klingt beispielsweise in Nuancen anders als im Original). Das haut einen gleich vom ersten Moment um. Die Bildführung und der Schnitt sind dabei gut gelungen, denn man verzichtete auf allzu harte und schnelle Schnitte, so dass man den Konzertmitschnitt bestens verfolgen kann. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt kommen kritische Bilder auf der Leinwand wie Flüchtlingssituation oder Umweltverschmutzung zum Tragen. Damit zeigt er nicht nur atmosphärische Bilder zur Musik – wie es oft bei Konzerten anderer Künstler der Fall ist -, sondern hält uns und vor allem den Regierenden einen Spiegel vor.

In „Time“ dürfen natürlich nicht die animierten Uhren fehlen und die sind auch auf der großen Leinwand zu bewundern. In „Great Gig In The Sky“ teilen sich die beiden Sängerinnen Jess Wolfe & Holly Laessig den Gesangspart, was hervorragend klingt, da sich beide Stimmen ergänzen. Verstörend ist das Bild, wenn bei den Stücken „The Happiest Days Of Our Lives“ und „Another Brick In The Wall Part 2“ am Bühnenrand ein Chor aus Jugendlichen steht, die Gefängniskleidung tragen und schwarze Säcke über ihre Köpfe gestülpt sind. Zum Refrain von „Another Brick In The Wall Part 2“ reißen sie sich dann die Säcke vom Kopf und die Kleidung vom Leib, darunter tragen sie schwarze T-Shirts mit der Aufschrift „Resist“ (widersetzte dich).

Ein beeindruckender Effekt zeigt sich dann bei „Dogs“. Hier wird eine Traverse in der Mitte des Publikums heruntergelassen aus der dann Leinwände hochgezogen werden und sich so die Battersea Power Station erhebt (wirkt wie ein Hologramm), die das Cover von „Animals“ geziert hatte. Das sind nur einige der beeindruckenden Showelemente, die einen beim Zusehen nicht aus dem Staunen herauslassen.

Neben dem zweistündigen Film finden sich auch noch eine 15minütige Dokumentation mit dem Titel „Fleeting Glimpse“ sowie die beiden Stücke „Comfortably Numb“ und „Smell The Roses“, die in dem Konzertfilm nicht enthalten waren, als Bonus auf der Blu-ray.

Das Audioformat kann zwischen 2.0 LPCM Stereo, Dolby Atmos und Dolby TrueHD 5.1 gewählt werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit Untertitel in verschiedenen Sprachen, darunter in deutscher Sprache, zuzuschalten.

„Us + Them“ ist ein atemberaubender Konzertfilm, der Roger Waters und Band in Bestform zeigt. Roger Waters gibt ein beeindruckendes Statement für Menschenrechte und Naturschutz ab. Bild- und Ton lassen keine Wünsche offen und sind von ausgezeichneter Qualität. Nicht nur ein Muss für den Pink Floyd-/Roger Waters-Fan.

Stephan Schelle, September 2020


 
 

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