Kid Creole & The Coconuts – Live At Rockpalast 1982
mig / made in germany music (2012)
(34 Stücke, 141 Minuten Spielzeit)

Am Anfang stand die Vision. Die Vision eines multikulturellen Karnevals, der keine stilistischen Grenzen kennt, die Vision eines farbenfrohen Theaters mit den unterschiedlichsten Charakteren, überbordender Lebensfreude, Ironie, Humor und Raffinesse. Gegründet wurden Kid Creole & The Coconuts Anfang der 80’er Jahre von August Darnell, der bereits mit Formationen wie Dr. Buzzard’s Original Savannah Band, oder Machine Erfolge feiern konnte - doch erst mit seinem Alter Ego Kid Creole entfaltete er seine ganze Kreativität: Zusammen mit Andy Hernandez alias Coati Mundi und dem Damentrio The Coconuts, in der auch seine damalige Frau Adriana Kaegi agierte, inszenierte er eine atemberaubende Melange aus Latin-Pop, Funk und einem ebenso bunten wie überzeichneten, bombastischen Theater zwischen Kunst, bonbonfarbenem Kitsch, perfekter Choreographie und großer, selbstironischer, augenzwinkernder Geste.


Im Jahr 1980 kam dann das Debüt unter dem Titel „Off The Coast Of Me“ heraus. Mit diesem Album, sowie dem in 1981 folgenden Zweitling „Fresh Fruit In Foreign Places“ konnten Kid Creole & The Coconuts bereits einige Achtungserfolge verbuchen. Richtig bekannt wurde die Band aber erst mit dem 82’er Album „Tropical Gangsters“, das mit den Songs „I’m A Wonderful Thing, Baby“, „Stool Pigeon“ und vor allem „Annie, I’m Not Your Daddy“ gleich mehrere Hits abwarf. Im Jahr 1982 war die Band auf ihrem kreativen Höhepunkt und der Rockpalast war auf sie aufmerksam geworden. Für gleich zwei Konzerte buchte man diese außergewöhnliche Truppe. Zum einen spielten sie am 03.06.1982 ein Club-Konzert in den Satory Sälen in Köln und zum anderen waren sie zu Gast in der elften Rockpalastnacht, die vom 16. auf den 17.Oktober in Essen stattfand. Vor allem das Konzert in der Rockpalastnacht gab Kid Creole & The Coconuts noch mal einen zusätzlichen Schub, so dass die anstehende Tournee aufgrund der zunehmenden Nachfrage in größere Hallen verlegt werden musste.

Bisher gab es kein offizielles Livealbum, das ist mit dieser Veröffentlichung (die Konzerte erscheinen neben der DVD auch als CD) aber Geschichte. Erstaunlich ist, obwohl die Konzerte nur einige Monate auseinander liegen, dass es bei den 34 Titeln (je 17 Stücke spielte die Band pro Konzert) nur neun Überschneidungen gibt. So sind beide Konzerte hochgradig spannend und abwechslungsreich. Der Sound der DVDs ist jeweils im PCMStereo-Format enthalten, das Bild zeigt sich im 4:3-Format.

DVD Nummer 1 enthält den Rockpalastnacht-Auftritt und zeigt Kid Creole (August Darnell) und seine drei Coconuts zusammen mit einer neunköpfigen Band. Stilecht wird das Konzert mit einem sehr theatralischen Intro eröffnet, so wie der Soundtrack bei einem alten Abenteuerfilm. Der Bühnenvorhang schiebt sich zur Seite und zu sehen ist eine riesige farbige Nebelwand, die nicht nur die komplette Bühne einnimmt, sondern auch ins Publikum weht und die ersten Reihen völlig einnebelt. Kaum hat sich der Nebel verzogen, wird die Band, von denen einige khakifarbene Tropenanzügen tragen, wie man sie von Forschern aus den 50’er Jahren her kennt, sichtbar. Sofort legen sie mit einem mitreißenden „Turky Trot“ los, zu dem zunächst ein im Kapitänsoutfit gekleideter Bongo Eddie die Bühnen betritt und den Rahmen für Kid Creole bereitet, in dem er das Publikum anheizt und diesen ersten Song singt. Schnell entwickelt sich eine richtige Party-Stimmung, der man sich auch nach 30 Jahren nicht entziehen kann.

Zum zweiten Song „Going Places“ kommen dann Kid Creole & Coconuts auf die Bühne. Das Outfit der Musiker hat eine gewisse nostalgische Ausstrahlung, wirkt es doch wie aus den 50’er Jahren. Und auch die Tanzeinlagen der Coconuts wirken antiquiert, passen aber hervorragend in diese Mixtur aus Funk, Soul, Reggae und Pop mit lateinamerikanischen Elementen und Bigband-Sound. Coati Mundi hat dann bei „Ain’t You Heard The News“ und „Que Pasa“ seinen großen Auftritt, in dem er die Songs interpretiert, während Kid Creole an die Perkussion wechselt.

Die unglaublich rhythmische Musik wird mit einer gehörigen Portion Humor, Slapstick und Spielfreude geboten, was dann zum Beispiel in einer mehr als elfminütigen Version von „Stool Pigeon“ und einer Polonaise beim abschließenden, mehr als 15minütigen „Maladie D’Amour“, bei dem auch einige Zuschauer mit eingebunden werden, mündet. Ein wirklich sehens- und hörenswerter Auftritt.

Die zweite DVD enthält das Konzert aus den Satory Sälen in Köln, das um ein elfminütiges Interview aus der Rocknacht ergänzt wurde. Dieses Konzert ist eine Spur kleiner, aber nicht minder intensiv und steht dem Essener-Gig in nichts nach. Es beginnt mit dem Stück „Adnaloy“, zu dem die Band nach und nach auf die Bühne kommt. Man hat den Eindruck durch die afrikanischen Perkussion und die afrikanischen Gesänge direkt in den Dschungel transportiert zu werden. Sehenswert ist Coati Mundi’s fast schon ekstatisches Xylophonspiel im Stück „With A Girl Like Mimi“. Humorvoll geht es im Song „Schweinerei“ zu, bei dem Kid Creole alias August Darnell in englischer und Adriana Kaegi in deutscher Sprache singt. Näheres über diesen Song erfährt man im Interview. Bei „Table Manners“ holen sie gleich ein paar Leute aus dem Publikum vor die Bühnen um mit ihnen zu tanzen. Und einer von ihnen darf gar mit auf die Bühne und einen Part singen.

Mig veröffentlichen diese Mitschnitte von zwei Energie geladenen Konzerten von Kid Creole & The Coconuts, die auf der Bühne einfach nur Party machen. Das zündet auch 30 später noch. Sehr sehenswert.

Stephan Schelle, August 2012


 
 

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