Annie wirkte mit ihrem Kurzhaarschnitt recht androgyn, Ähnlichkeiten zu
einem David Bowie waren da nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber viel
wichtiger war die Musik, die sie und Dave zu schreiben in der Lage
waren. Sie waren schwer in eine Schublade zu stecken, denn ihre Musik
war immer wandlungsfähig. Als sie beispielsweise Mitte der 80’er im
britischen Fernsehen als Synthie-Pop-Duo angekündigt wurden, standen
acht Gospelsängerinnen, ein Flügel und eine akustische Gitarre auf der
Bühne.
In den 90’er Jahren gingen beide
getrennte Wege in denen sie recht erfolgreich waren. Mit dem
gemeinsamen Album „Peace“ kehrten die beiden 1999 für viele unerwartet
wieder als Duo Eurythmics zurück. Es folgte die „Peacetour“, bei der sie
ihre alten Songs stilistisch in zeitgemäßen Versionen arrangierten. Die
Popmusik hatte sich in den zehn Jahren seit ihrem letzten Konzert
verändert, aber eine Stärke des Duos war es schon immer, die Zeichen der
Zeit zu erkennen. Annie Lennox und Dave Stewart demonstrieren dies auch
beim letzten Konzert ihrer „Peacetour“ in den Londoner „Docklands“.
Das Konzert, das während der
„Peacetour“, die in Kooperation mit Amnesty International und Greenpeace
absolviert wurde, zeigt sie vom 06.12.1999 in der Docklands Arena von
London. Der Mitschnitt wirkt wie ein Konzertfilm, zeigt er doch zunächst
einen in einen glänzenden Anorak gehüllten Dave Stewart, wie er durch
den Backstagebereich auf die Bühne tritt. Dann kommt Annie im gleichen
Look auf die Bühne. Im krassen Gegensatz zu „Peace“, also Frieden, steht
das Outfit der beiden Künstler und ihrer Musiker, denn sie tragen
militärische Tarnanzüge.
Los geht die Show mit „I Want It All“.
Und schon hier zeigt sich die Klasse der Band, die Annie und Dave um
sich geschart haben. Dave’s Gitarre sägt schon bei diesem Stück recht
druckvoll und lässt die volle Energie des Songs auf die Besucher los.
Es folgen
Klassiker wie „When Tomorrow Comes“, „It’s Alright (Baby’s Coming
Back)“, „Who’s That Girl“, „Sisters Are Doin’ It For Themselves“, „Love
Is A Stranger“, „The Miracle Of Love“ und natürlich „Sweet Dreams (Are
Made For This)“. Und immer
wieder haben die beiden die Songs leicht umarrangiert, so hört man
beispielsweise in „Missionary Man“ bluesige Elemente und Dave an der
Steelguitar mit der er ein Duett mit Saxophonist Chris Davis eingeht.
Und „Who’s That Girl“ wird in einer unglaublichen, Gänsehaut treibenden
Version geboten, man höre nur das Akustikgitarrensolo von Dave. Gleiches
gilt für „The Miracle Of Love“. Soul, Funk, Blues, Rock, Pop und mehr
werden von ihnen in einer sehr intensiven Form geboten, die einfach Spaß
macht.
Nach gut 70 Minuten verlassen die
Musiker die Bühne, die für einige Momente verdunkelt wird. Als das Licht
wieder angeht, steht dort, wo vorher die Musiker, also die Band zu sehen
war, ein Wald aus Bäumen. Die nächsten drei Songs „Here Comes The Rain
Again“, „Why“ und „The Miracle Of Love“ werden von Annie und Dave in
tollen Akustikversionen geboten. Bei den letzten beiden Songs „Peace Is
Just A Word“ und „Sweet Dreams (Are Made For This)“ wird der Blick auf
die komplette Bühne wieder frei und die Band ist wieder mit dabei.
Der gut 96minütige Mitschnitt des
Konzertes ist in Stereo oder 5.1 Surroundsound zu genießen. Neben diesem
Konzert gibt es noch weiteres Bonusmaterial wie zum Beispiel sämtliche
Songtexte, eine Discografie, die Möglichkeit einige Songs in
verschiedenen Blickwinkeln zu sehen sowie eine gut einstündige
Dokumentation mit Interviews und Studioaufnahmen.
Auch diese DVD der Reihe „Live On
Stage“ präsentiert einen hervorragenden Livemittschnitt. Nicht nur
Popfreunde sind hier angesprochen auch die Freunde gepflegter Rockmusik
sind hier richtig aufgehoben. Ein Klasse Konzert, das man gesehen haben
sollte.
Stephan Schelle,
Februar 2012