Epitaph – Krautrock Legends Vol. 1
made in germany music / mig (2011)
(30 Stücke, 228 Minuten Spielzeit)

Mit der DVD „Epitaph – Krautrock Legends Vol. 1“ beginnt am 27.05.2011 eine neue Reihe von Veröffentlichungen deutscher Rockbands, die ihren Auftritt im Rockpalast hatten. Man darf gespannt sein, was mig da noch so alles aus dem Hut zaubert (hoffentlich auch die Aufnahme des 79’er Gigs von Grobschnitt in der Essener Grugahalle).

Epitaph bewegten sich im Umfeld des Krautrock’s, obwohl sie sich eher dem britischen Rock verbunden fühlten. Die Band um Gitarrist und Sänger Cliff Jackson ist auf der zwei DVDs umfassenden Ausgabe mit drei Konzerten vertreten. Neben den beiden Gigs, die die Band 1977 und 1979 im Sendesaal des WDR in Köln gab, ist auch ein Auftritt aus der Harmonie in Bonn zu sehen, der im Dezember 2004 mitgeschnitten wurde. Als besonderen Bonus gibt es dann noch zwei Songs, die 1972 für den Beat Club (Kultsendung, die von Radio Bremen produziert wurde – mit Moderatorin Uschi Nerke) produziert wurden.


Die erste DVD präsentiert das gut 65minütige Konzert aus 1977, das die Band in der Formation Cliff Jackson (Gitarre, Gesang), Bernd Kolbe (Bass, Gesang), Klaus Walz (Gitarre) und Fritz Randow (Schlagzeug) gab.

Zum Zeitpunkt dieses Auftritts im Jahr 1977 befand sich die Band zwischen zwei Alben. Es war die Zeit nach „Outside The Law“, nach dem Split nach der USA-Tour. Cliff war gerade von seinem Roadtrip nach Katmandu zurückgekehrt, und es war Zeit wieder an die Arbeit zu gehen. Es war wieder das ursprüngliche Line-Up, aber es gab Streit und Jim McGillivray ging. Dann kam der Anruf vom Rockpalast und Fritz Randow wurde als Schlagzeuger geholt. Innerhalb von nur zwei Wochen war Fritz der neue Epitaph-Drummer geworden, die Band mietet ein Studio und übte täglich.

Während Jim ein sehr großes Schlagzeug hatte, besaß Fritz ein sehr kleines, ähnlich wie das von Phil Collins, weil er ein großer Phil Collins-Fan war, mit einer 18-Zoll-Bass-Drum, die kleiner war als Jims Stand-Tom. Mit so einem kleinen Schlagzeug fehlte Fritz zwar Jims Wall To Wall-Sound, aber er hat gut gespielt und passte auch farblich perfekt in die leuchtend grün lackierte ehemalige Schule in Graue, der Heimat von Epitaph zu dieser Zeit.

Als zweites Konzert findet sich der 55minütige Auftritt vom 03.09.1979 auf der ersten DVD. Wieder hatte sich das Besetzungskarussell gedreht und neben Cliff Jackson und Fritz Randow standen die neuen Mitglieder Heinz Glass (Gitarre), Michael Karch (Keyboards) und Harvey Janssen (Bass) mit auf der Bühne. Heinz Glass wirkt mit seiner Mähne ein wenig wie der damalige amerikanische Rockgitarrist Ted Nugent.

Im Jahr 1979 waren Epitaph auf der „Brian“-Tour, die von der Plattenfirma Metronome organisiert wurde. Auf dieser Tour dabei waren Uli Roth (er hatte sich von den Scorpions getrennt und ein Jahr zuvor seine eigene Band gegründet), Accept, Epitaph und ein paar andere Gruppen, die alle auf dem Brian-Label waren.

Eines Nachts, als Epitaph in Essen spielten, kam die Band von der Bühne und entdeckte Peter Rüchel vom Rockpalast. Er war gerade dabei, Uli Roth zu buchen, der als nächster dran war, aber Epitaph hatten an diesem Abend so gut gespielt, dass Peter sich zu Cliff drehte und fragte: „Wollt ihr wieder im Rockpalast spielen?“

Kurz vor der Rockpalast-Aufzeichnung waren Epitaph sechs Tage auf Tour gewesen und Cliff hatte alle Lead Vocals gesungen. In der Nacht, als sie eintrafen, hatte Cliff seine Stimme völlig verloren. Er ging ins Krankenhaus, wo die Notaufnahme gefüllt war von Unfallopfern und gescheiterten Suiziden, so dass es für Cliff peinlich war zuzugeben, dass er „nur“ seine Stimme verloren hatte. Doch es war die Nacht vor einem Rockpalast-Auftritt und somit ein Notfall. „Sie gaben mir etwas zu trinken und meine Stimme hielt beinahe. Ich habe es bis fast zum Ende des Konzertes geschafft, bevor es wieder anfing“, erinnert sich Cliff.

Man merkt Cliff die belegte Stimme zwar an (klingt schon bei der Eingangsansage etwas gequält und er trägt ein Halstuch), aber er sang den Gig über recht ordentlich, sodass seine Stimmprobleme während des Konzertes nicht groß ins Gewicht fielen.

Die zweite DVD enthält das 77minütige, 2004’er Konzert aus der Harmonie in Bonn. Die Besetzung lautet dieses Mal Cliff Jackson (Gitarren, Gesang), Bernd Kolbe (Bass, Gesang), Heinz Glass (Gitarre, Backgroundgesang) und Achim Poret (Schlagzeug, Perkussion, Backgroundgesang). Hier zeigt das Rockquartett, das Stücke wie „Women“, „Crossroads“ oder „Stop, Look And Listen“ nichts von ihrer Faszination verloren haben. Und beim abschließenden „Going Down Chicago“ kommt als Special Guest Klaus Walz, der in den 70’ern zur Band gehörte (er spielte mit Epitaph die ersten beiden Alben ein) und seit Jahren bei Jane spielt, auf die Bühne. Klaus macht aus dem letzten Stück ein soundgewaltiges Happening, bei dem man sieht, dass die Jungs Spaß auf der Bühne haben.

Die beiden Bonusstücke aus der Beat Club-Produktion haben ihren ganz besonderen Charme. Zum einen sieht man die ausgestrahlte Version von „Early Morning“, bei der die damalige Technik mit Farbverzerrten Bildern zur Geltung kommt, zum anderen ist eine Aufnahme von „Little Maggie“ enthalten, die nicht gesendet wurde und daher keine Effekte aufzuweisen hat. Hier sieht man die Band vor einer Bluescreen-Wand. Als weiteren Bonus enthält die DVD dann noch ein zehnminütiges Interview vom Krautrock Meeting 2005, das mit Bernd Kolbe (Epitaph) und Werner Nadolny (Jane) geführt wurde. Das Interview ist in deutscher Sprache geführt und mit englischen Untertiteln unterlegt.

Mit „Epitaph – Krautrock Legends Vol. 1“ ist mig der Start in eine sehr viel versprechende und Hoffnungen erzeugende neue Reihe geglückt. Sehr gut gefällt an dieser DVD, dass sie Epitaph in zwei unterschiedlichen Zeitabschnitten präsentiert. Zum einen sind die Musiker in den „wilden 70’ern“ zu sehen, zum anderen präsentieren sich Cliff & Co. bei dem Bonner Gig im neuen Jahrtausend angekommen. Eine tolle DVD, die in keiner Krautrocksammlung fehlen sollte.

Stephan Schelle, Juni 2011


 
 

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