Die erste DVD präsentiert das
gut 65minütige Konzert aus 1977, das die Band in der Formation Cliff
Jackson (Gitarre, Gesang), Bernd Kolbe (Bass, Gesang), Klaus Walz
(Gitarre) und Fritz Randow (Schlagzeug) gab.
Zum Zeitpunkt dieses Auftritts im
Jahr 1977 befand sich die Band zwischen zwei Alben. Es war die Zeit nach
„Outside The Law“, nach dem Split nach der USA-Tour. Cliff war gerade
von seinem Roadtrip nach Katmandu zurückgekehrt, und es war Zeit wieder
an die Arbeit zu gehen. Es war wieder das ursprüngliche Line-Up, aber es
gab Streit und Jim McGillivray ging. Dann kam der Anruf vom Rockpalast
und Fritz Randow wurde als Schlagzeuger geholt. Innerhalb von nur zwei
Wochen war Fritz der neue Epitaph-Drummer geworden, die Band mietet ein
Studio und übte täglich.
Während Jim ein sehr großes Schlagzeug
hatte, besaß Fritz ein sehr kleines, ähnlich wie das von Phil Collins,
weil er ein großer Phil Collins-Fan war, mit einer 18-Zoll-Bass-Drum,
die kleiner war als Jims Stand-Tom. Mit so einem kleinen Schlagzeug
fehlte Fritz zwar Jims Wall To Wall-Sound, aber er hat gut gespielt und
passte auch farblich perfekt in die leuchtend grün lackierte ehemalige
Schule in Graue, der Heimat von Epitaph zu dieser Zeit.
Als zweites Konzert findet sich der
55minütige Auftritt vom 03.09.1979 auf der ersten DVD. Wieder hatte sich
das Besetzungskarussell gedreht und neben Cliff Jackson und Fritz Randow
standen die neuen Mitglieder Heinz Glass (Gitarre), Michael Karch
(Keyboards) und Harvey Janssen (Bass) mit auf der Bühne. Heinz Glass
wirkt mit seiner Mähne ein wenig wie der damalige amerikanische
Rockgitarrist Ted Nugent.
Im Jahr 1979 waren Epitaph auf der „Brian“-Tour,
die von der Plattenfirma Metronome organisiert wurde. Auf dieser Tour
dabei waren Uli Roth (er hatte sich von den Scorpions getrennt und ein
Jahr zuvor seine eigene Band gegründet), Accept, Epitaph und ein paar
andere Gruppen, die alle auf dem Brian-Label waren.
Eines Nachts, als Epitaph in Essen
spielten, kam die Band von der Bühne und entdeckte Peter Rüchel vom
Rockpalast. Er war gerade dabei, Uli Roth zu buchen, der als nächster
dran war, aber Epitaph hatten an diesem Abend so gut gespielt, dass
Peter sich zu Cliff drehte und fragte: „Wollt ihr wieder im Rockpalast
spielen?“
Kurz vor der Rockpalast-Aufzeichnung
waren Epitaph sechs Tage auf Tour gewesen und Cliff hatte alle Lead
Vocals gesungen. In der Nacht, als sie eintrafen, hatte Cliff seine
Stimme völlig verloren. Er ging ins Krankenhaus, wo die Notaufnahme
gefüllt war von Unfallopfern und gescheiterten Suiziden, so dass es für
Cliff peinlich war zuzugeben, dass er „nur“ seine Stimme verloren hatte.
Doch es war die Nacht vor einem Rockpalast-Auftritt und somit ein
Notfall. „Sie gaben mir etwas zu trinken und meine Stimme hielt beinahe.
Ich habe es bis fast zum Ende des Konzertes geschafft, bevor es wieder
anfing“, erinnert sich Cliff.
Man merkt Cliff die belegte Stimme
zwar an (klingt schon bei der Eingangsansage etwas gequält und er trägt
ein Halstuch), aber er sang den Gig über recht ordentlich, sodass seine
Stimmprobleme während des Konzertes nicht groß ins Gewicht fielen.
Die zweite DVD enthält das 77minütige,
2004’er Konzert aus der Harmonie in Bonn. Die Besetzung lautet dieses
Mal Cliff Jackson (Gitarren, Gesang), Bernd Kolbe (Bass, Gesang), Heinz
Glass (Gitarre, Backgroundgesang) und Achim Poret (Schlagzeug,
Perkussion, Backgroundgesang). Hier zeigt das Rockquartett, das Stücke
wie „Women“, „Crossroads“ oder „Stop, Look And Listen“ nichts von ihrer
Faszination verloren haben. Und beim abschließenden „Going Down Chicago“
kommt als Special Guest Klaus Walz, der in den 70’ern zur Band gehörte
(er spielte mit Epitaph die ersten beiden Alben ein) und seit Jahren bei
Jane spielt, auf die Bühne. Klaus macht aus dem letzten Stück ein
soundgewaltiges Happening, bei dem man sieht, dass die Jungs Spaß auf
der Bühne haben.
Die beiden Bonusstücke aus der Beat
Club-Produktion haben ihren ganz besonderen Charme. Zum einen sieht man
die ausgestrahlte Version von „Early Morning“, bei der die damalige
Technik mit Farbverzerrten Bildern zur Geltung kommt, zum anderen ist
eine Aufnahme von „Little Maggie“ enthalten, die nicht gesendet wurde
und daher keine Effekte aufzuweisen hat. Hier sieht man die Band vor
einer Bluescreen-Wand. Als weiteren Bonus enthält die DVD dann noch ein
zehnminütiges Interview vom Krautrock Meeting 2005, das mit Bernd Kolbe
(Epitaph) und Werner Nadolny (Jane) geführt wurde. Das Interview ist in
deutscher Sprache geführt und mit englischen Untertiteln unterlegt.
Mit „Epitaph – Krautrock Legends Vol.
1“ ist mig der Start in eine sehr viel versprechende und Hoffnungen
erzeugende neue Reihe geglückt. Sehr gut gefällt an dieser DVD, dass sie
Epitaph in zwei unterschiedlichen Zeitabschnitten präsentiert. Zum einen
sind die Musiker in den „wilden 70’ern“ zu sehen, zum anderen
präsentieren sich Cliff & Co. bei dem Bonner Gig im neuen Jahrtausend
angekommen. Eine tolle DVD, die in keiner Krautrocksammlung fehlen
sollte.
Stephan Schelle,
Juni 2011