Spock's Beard - Don't Try This At Home

Holland scheint für die Prog-Rock-Szene ein besonderes Pflaster zu sein. Wie sonst ließe sich erklären, dass viele Bands aus diesem Bereich Live-Produktionen in unserem Nachbarland mitschneiden. Beispielhaft will ich hier nur Yes (Symphonic Live), IQ und Pendragon nennen.

Die von den Fans und von Kritikern als derzeit beste Prog-Rock-Band der Welt bezeichnete Gruppe Spock’s Beard steht dem in nichts nach. Doch während ich erst jetzt die Band für mich entdeckt habe, muss ich leider auch schon wieder erfahren, dass sich der Kopf der Band, Neil Morse, nach den Aufnahmen des aktuellen Albums „Snow“ (kann ich auch nur empfehlen) dazu entschlossen hat, erst einmal mit der Musik aufzuhören.

In 2002 ist ihre Live-DVD mit dem Titel „Don’t Try This At Home And The Making Of V“ erschienen, die sie während eines Konzertes am 28.09.1999 im holländischen Tilburg zeigt. Dem Titel kann man schon entnehmen, dass nicht nur das Konzert zu sehen ist, nein, auf einer zweiten DVD wird die Entstehung des Albums „V“ aus dem Jahr 2000 tagebuchartig gezeigt. Doch damit nicht genug, es gibt noch weitere Extras.

Doch nun erst einmal zur ersten DVD, die das Konzert in Tilburg zeigt. Die fünf Musiker bieten ein gutes Livekonzert, bei dem sie ohne jegliche Show auskommen. Außer ein paar Scheinwerfern bieten sie weder Bühnenrequisiten noch andere Showelemente. Das ist auch nicht notwendig, denn durch ihre Persönlichkeiten und Spielfreude (dass sie Profis an ihren Instrumenten sind, sieht man gleich) begeistern sie das zahlreich erschienene Publikum und auch den Betrachter des Silberlings. Vom Aussehen, was Kleidung und die Musiker betrifft, machen sie auf mich eher den Eindruck eines „normalen“ Bürgers und nicht den eines Rockmusikers.

In der Besetzung

Neil Morse – Gesang, Gitarre, Keyboard, Schlagzeug
Alan Morse – Gesang, Gitarre
Dave Meros – Bass
Ryo Okumoto – Keyboards
Nick D’Virgilio – Schlagzeug

bestreiten sie den Auftritt.

Das Manko ihrer fehlenden Bühnenshow ist leider, dass die wenigen Spots hauptsächlich ein sehr blaues oder rotes Bühnenbild zeigen. Dadurch wird die Optik ein wenig eintönig. Doch die Musiker reißen mit ihrer - wie oben schon erwähnten - Spielfreude und Sicherheit an den Instrumenten alles wieder raus. Allen voran natürlich Frontmann Neil Morse, der ein wahrer Multiinstrumentalist ist. Spielt er anfangs noch Keyboard und greift zum Mikro, so bedient er zwischendurch auch die Gitarre und wechselt gar bei dem Genesis-Klassiker „Squonk“ hinters Schlagzeug und überlässt den Gesang dem Schlagzeuger Nick D’Virgilio. Eine wirklich tolle Interpretation des Stückes vom 75’er Album „A Trick Of A Tail“.

Das die Band in Tilburg ein wahres Heimspiel hat, beweist, dass es noch während der Stücke einige Male Szenenapplaus gibt. Ryo haut auf den Tasten teilweise hypnotisch rum und hat einen Stil wie seinerzeit Keith Emerson oder John Lord. Während des Stückes „Ryo’s Solo“ - das sagt schon der Titel - legt Ryo ein fulminantes Solo an seinen Keyboards hin. Man ist wirklich in die Zeit 70’er zurückversetzt.

Die Trackliste des Auftrittes lautet:

- Day For Night
- In The Mouth Of Madness
- Skin
- Gibberish
- Go The Way You Go
- June
- The Healing Colors Of Sound
- Ryo’s Solo
- The Doorway
- The Light
- Squonk
- Waste Away / Fire

Bei dem Stück “Doorway” liefern sich die beiden Morse-Brüder förmlich ein Duell an den Akustikgitarren. Hier offenbaren die beiden eine absolute Fingerfertigkeit, die nur noch von einem Extra-Titel auf der DVD, zu der ich später noch komme, übertroffen wird. Das ganze gipfelt dann noch in einer Passage, in der neben den Morse-Brüdern auch noch der hauptamtliche Schlagzeuger zur Akustikgitarre greift und sie zu dritt virtuos in die Saiten greifen.

Nach 124 Minuten endet das Konzertvideo. Doch es gibt noch ein paar Extras auf dem ersten Silberling.

 

Während der Aufnahmen des Songs „Gibberish“ haben sie im Studio gefilmt. Die Aufnahmen laufen unter dem Titel „Gibberish Sessions“. Diese Aufnahme, bei der das Bild durch das hohe Komprimierungsverfahren nicht so gut ist, dauert knapp 3 Minuten.

„Live In Lansing“ lautet ein weiterer Bonus, bei dem der alte Deep Purple Klassiker „Space Truckin““ zum besten gegeben wird. Das ganze macht den Eindruck, als sei in einem kleinen Club oder in einem Keller ein Konzert gegeben worden. Das hat schon eine sehr familiäre Atmosphäre. Die fünf Musiker rocken so richtig bei dem Stück ab. Hier ist D’Virgilio an der E-Gitarre zu sehen und übernimmt auch den Lead-Gesang, während Neil Morse im Hintergrund kräftig die Trommelfelle bearbeitet. Nach gut vier Minuten ist der Song zu ende.

Jetzt kommt aber das absolute Highlight der DVD, wie ich finde. „The Legend Of The Morse Brothers“ zeigt einen weiteren Konzertmitschnitt aus dem zuvor genannten Club oder Keller. Hauptakteure sind Neil und Alan Morse, das konnte auch bei dem Titel nicht anders sein. Was die beiden bei diesem Stück aus ihren Akustikgitarren herausholen und vor allem wie sie spielen, dass ist ein wahrer Ohrenschmaus für jeden Rockliebhaber. Da werden verschiedenste Anleihen gespielt. Unter anderem finden wir eine Passage von Yes. Doch das, was diesen Mitschnitt so bemerkenswert macht, ist der Punkt, an dem Neil erklärt, dass beide Brüder früher kaum Geld und während eines Campingurlaubs nur eine Gitarre hatten. Also was sollten sie tun? Natürlich gleichzeitig auf einer Gitarre spielen.

Und das was jetzt kommt, sucht wirklich seinesgleichen. Sie spielen gleichzeitig, wechseln die Positionen während des Songs und das ohne auch nur den Faden zu verlieren oder sich zu verspielen. Mehr als 6 Minuten dauert dieser Höhepunkt der DVD. Einfach Super!!!!!!!!!!

Die zweite DVD bietet neben dem in 6 Teilen aufgebauten „Making Of V“ noch weitere Extras.

Nachdem man den Button gedrückt hat, der zu weiteren vier Extras führt, sieht man die Band Backstage mit einem 40sekündigen Kampfschrei, mit dem sie sich für die Show heiß machen. Erster Bonus ist der Song „All On A Sunday“, der als Promo-Video vorliegt. Daneben gibt es noch zwei Konzertmittschnitte aus 1999 und 2000 sowie einen Promo-Auftritt mit drei Akustikgitarren und Perkussion in einem Plattenladen.

Fans von Spock’s Beard kommen an dieser DVD nicht vorbei. Allen anderen Liebhabern der Prog-Rock-Musik kann ich diese DVD auch vorbehaltlos empfehlen. Ihr solltet auch mal in das aktuelle Konzeptalbum (DoppelCD bzw. limitierte 3CD-Box) reinhören. Absolut empfehlenswert !!!!!!!!!

Stephan Schelle, Januar 2003

CD-Kritiken-Menue