Grobschnitt-Talk mit WDR-Kultmoderator Winfried Trenkler
Osthaus Museum, Hagen, 16.10.2021

 

Auf Einladung der Grobschnitt-Musiker Eroc und Lupo im Rahmen ihrer Ausstellung „50 Jahre Grobschnitt“, die vom 03.09. bis 21.11.2021 im Osthaus Museum in Hagen stattfindet, kam am 16.10.2021 der legendäre Radiomoderator Winfried Trenkler zu einer Gesprächsrunde nach Hagen. Winfried Trenkler wohnt seit vielen Jahren in Schweden. Der seit den 70’er Jahren andauernde Freundschaft zwischen den Musikern und Trenkler ist es zu verdanken, dass er den weiten Weg auf sich genommen hat, um nicht nur über Grobschnitt zu sprechen, sondern auch einen Einblick in seine Radiokarriere zu geben.

Durch das Programm führte Harmut Krause (WDR 5). Eroc hatte zudem vier Videoeinspielungen (zwei davon bezüglich der Anfänge von Grobschnitt sind auch in der Ausstellung zu sehen) auf die große Leinwand gezaubert, die in die jeweiligen Themen einleiteten und das Publikum schon mal einstimmten sollten.

Die gut zweistündige Veranstaltung begann mit einem Einspieler von Eroc zur Geschichte von Grobschnitt mit Infos zur Bandgründung. Danach eröffneten Eroc und Lupo die Gesprächsrunde. Zunächst wurde über die Namensgebung, den ersten Auftritt als Grobschnitt, die erste Schallplatte und wie es dazu kam gesprochen. Und die Beiden hatten sichtlich Spaß, sich an die alten Zeiten zu erinnern, wie sie sich unvorbereitet auf den Weg nach Hamburg machten um ein Plattenlabel zu finden. Bei dem Gespräch mit einem Labelmanager kam der auf die Idee zur „Symphony“, die sie schon im Gepäck hatten, eine Art Nabucco-Chor hinzuzufügen. Der schickte sie aber erstmal mit den Worten nach Hause: „Jungs, zwei Schlagzeuger? Ich kenn in Hamburg mindestens 10 Schlagzeuger, die sind mit einem Arm besser als ihr mit zwei“. Ungefähr drei Monate später folgte der zweite Versuch, der dann zu einem Plattenvertrag bei der Metronome auf ihrem Unterlabel Brain führte.

    

Eroc hatte bei den Aufnahmen zur ersten LP den Fotoapparat seiner Eltern mitgenommen und hat so einige sehr schöne Fotos von der Reise nach Hamburg und in den Windrose Dumont Time Studios gemacht, bei dem Engineer Conny Plank und Produzent Frank Mille (New Rattles-Gitarrist) an den Aufnahmen beteiligt waren. Dies hat er  zu einer beeindruckenden Dia-Show verarbeitet (das Video läuft ebenfalls in der Ausstellung).

Im weiteren Verlauf wurden Anekdoten wie die Aufnahme des vierköpfigen Streichquartetts der Hamburger Staatsoper beim Finale der „Symphony“ erzählt, deren erster Take einen Spielfehler aufwies. Dies lag aber nicht an den Musikern, sondern daran, dass der Baer, der als Einziger Notenfest war, einen falschen Ton aufs Notenblatt platzierte. Beim ersten Take lief Willi in den Aufnahmeraum und sagte zum Cellisten „Du hast ein Ei gemacht“. Was soviel bedeutet wie: du hast falsch gespielt. Daraufhin packten die Musiker, die jede Note perfekt vom Blatt gespielt hatten, erbost ihre Instrumente ein und verließen den Raum. Nur mit viel Überzeugungskraft von Conny Plank konnten sie wieder zurückgeholt werden. Viel hatte die Band auch von Conny Plank gelernt, was Eroc später zu seinen berühmt/berüchtigten Soundcollagen führte.

Dann folgte ein extra für diesen Tag von Eroc angefertigter fünfeinhalbminütiger Film mit Fotos, Musik und Texten, die den Werdegang von Winfried Trenkler nachvollzog, der im WDR wohl die wichtigste Person war, die sich um die Verbreitung von guter Musik außerhalb der Chart-Rangklisten kümmerte. Mit seinen Musiksendungen „Pro Pop Music Shop“, „Radiothek“, „Rock In“ und „Schwingungen“ öffnete er zahlreichen Heranwachsenden große musikalische Welten und prägte ihren umfangreichen Musikgeschmack für immer. Für Viele galten seine Sendungen als wöchentliches Pflichtprogramm. Ich selbst unterbrach in den 80’ern einen Kegelabend, um schnell nach Hause zu fahren und den Rekorder für ein Elektronikkonzert zu starten, das im kleinen Sendesaal des WDR-Funkhauses in Köln im Rahmen der Reihe „Nachtmusik im WDR“ live ausgestrahlt wurde.

                   

Danach wurde Winfried Trenkler in die Gesprächsrunde aufgenommen, der zunächst etwas zu den Anfängen seiner Radiotätigkeit und die Musik von Bo Hansson, die er als Titelmelodie seiner Sendung „Radiothek“ aussuchte sagte. Diese Musik und der Kontakt zu dem bis dato in Deutschland unbekannten Musiker sorgte unter anderem dafür, dass er seine Liebe für Schweden entdeckte und schließlich dort seinen Wohnsitz hin verlagerte.

Dann erinnerten die Drei sowie Moderator Hartmut Krause an die großen Radiomomente, in denen Grobschnitt ihre legendären Interviews - mit teils überforderten Radiomachern - live über den Sender schickten. Eroc zeigte dies in einem gut achtminütigen Video, das einige Fotos aus dem Rundfunkstudio sowie Wortbeiträge aus den Sendungen enthielt.

Grobschnitt verfügte immer schon über einen anarchischen Humor, der den Nerv der Jugend traf und oftmals die älteren Generationen mit einem Kopfschütteln zurückließ. Das zeigte die Hagener Band nicht nur auf der Bühne, sondern hatte auch so manche Überraschung für Radiomoderatoren in Petto. Bestes Beispiel der erste Besuch von Eroc, Lupo, Toni Moff Mollo und Ballermann im Jahr 1975 in der WDR-Sendung „Radiothek“ mit Winfried Trenkler, bei dem sie ein vorbereitetes Tonband mitgebracht hatten und ihn baten es abzuspielen. Winfried schenkte ihnen sein Vertrauen und fasste kurzerhand den Entschluss das Band abzuspielen, ohne dass er wusste, was sich genau darauf befindet. Damit ging er ein großes Risiko ein, sorgte aber auch für den Beginn einer bis heute andauernden Freundschaft zu den Musikern von Grobschnitt. Unter anderem hatte die Band ihn bei zwei Konzerten in der Mercatorhalle und im Audimax in Köln in dem Kostüm des Nebelpolizisten bei „Solar Music“ auf die Bühne geschickt.

    

Die Sendung nahm ihren anarchischen Lauf der am Ende des Bandes kurzerhand in einer fiktiven Abschaltung des Senders zur frühen Abendstunde gegen 21 Uhr führte. Ähnlich wie bei der legendären Radioübertragung von George Orwell’s „Krieg der Welten“ hatte dies Nachfragen besorgter Hörer beim Sender zur Folge, die diesen Abbruch ernst nahmen. Wie Eroc erzählte, landete einer von ihnen auf dem Telefon, das direkt vor Eroc im Studio stand. Der Hörer wollte den Sendeleiter sprechen. Eroc, der das Gespräch einfach angenommen hatte, entgegnete dem Hörer: „Der Sendeleiter sei gerade auf der Toilette, aber wir hätten hier im Flur eine Stehleiter.“ Und wollte von ihm wissen, ob er ihn damit verbinden solle. Der legte dann allerdings einfach auf.

Die Studiobesuche und Interviews von Grobschnitt in Trenkler’s Sendungen erreichten Kultstatus und arteten zu Happenings aus, die für Überraschungen und großen Spaß bei den Hörern/innen der Sendungen sorgte.

 

 


Winfried Trenkler bekam danach die Möglichkeit aus dem Buch „Die 1970’er Jahre - progressive Zeitzeugen berichten“ von Dr. Frank Wolfram Wagner vorzulesen. Darin enthalten einige Interviews, unter anderem mit Ingo Insterburg (4 Seiten), Harald Grosskopf (15 Seiten) und eben Winfried Trenkler, dessen ausufernde Erzählweise sich auch in dem 265seitigen Buch mit allein 50 Seiten und damit in einer partiellen Biografie niederschlägt. Aber genau diese ausufernden Moderationen, bei denen er immer sehr einfühlsam und wertschätzend mit den Musikern umging sowie mit einem umfangreichen Fachwissen glänzte, sind es immer gewesen, die ihn so beliebt machten. Denn der Mann hat wirklich viel erlebt, mit vielen Musikern/innen gesprochen und eine Menge zu erzählen. Das baute Vertrauen zwischen ihm und den Künstlern/innen jeglicher Couleur auf. 

Nach gut zwei Stunden endete dann die Talkrunde, in der sie uns mit auf eine Zeitreise nahmen, in der die Verantwortlichen der Radiosendungen noch mit Spartensendungen über Rock, Elektronikmusik, Blues und Jazz ein breites Publikum erreichten. So konnten dadurch beispielsweise Kraftwerk mit ihrer Musik für eine nachhaltige Entwicklung unzähliger internationaler Künstler und Musikgenres sorgen. Musikrichtungen wie Techno oder Industriel wären ohne die Düsseldorfer Elektroniker gar nicht möglich gewesen. 

 
 

Auch die Musik von Harmonia, die vom Regisseur der Sendung mit den Worten: „Was spielst du da für eine Scheiße!“ bedacht wurde, konnte Trenkler nicht von seinem Weg, gute Musik zu spielen, abhalten. Brian Eno, den Trenkler kurz darauf interviewte und den Trenkler auf ein Harmonia-Konzert mitnahm, meinte danach nur: „Das ist die wichtigste Rockmusik, die heute auf der Welt gemacht wird.“

Die zweistündige Talkrunde war eine wunderbare Zeitreise, die sowohl das Werk von Grobschnitt wie auch die Arbeit des beliebten Rundfunkmoderators Winfried Trenkler durch zahlreiche Geschichten und Anekdoten würdigte. Zwei Stunden, die wie im Flug vergingen und auch gerne doppelt so lange hätten dauern dürfen. Wer an diesem Tag dabei war, konnte sich glücklich schätzen, mit den drei Protagonisten sowie Hartmut Krause, die alle in bester Laune waren und sichtlich viel Spaß hatten, in ihren Erinnerungen zu schwelgen. Darüber hinaus gilt ein großes Lob an Heike Wahnbaeck, die Kuratorin der Ausstellung und Mitorganisatorin der Gesprächsrunde.

Stephan Schelle, Oktober 2021